Der Beginn einer grossen Liebesgeschichte

Meine derzeitige Reiseberaterin erzählte mir von ihrem viertägigen Aufenthalt in Botswana und kam dabei regelrecht ins Schwärmen von diesem weiten, grenzenlosen Land und ihren Tierbegegnungen. Meine Neugier war geweckt und ich wollte alles über ihre Erlebnisse erfahren. Sofort erinnerte ich mich an den innigen Wunsch als Kind, den Tieren in ihrer freien Wildbahn ganz nahe sein zu dürfen. Voller Freude begann ich mit der Reiseplanung. Auf Empfehlung der Reiseberaterin setzte ich mich mit dem Afrikaspezialisten African Collection Tours in Verbindung. Es war schnell klar, dass wir uns einer geführten Tour anschliessen möchten. Dies einerseits aus Sicherheitsgründen und andererseits um möglichst viele Informationen vom Guide zu erhalten. Wir entschieden uns für die 10-tägige Migration Route von Wilderness Safaris. Abschliessend sollte es nach Südafrika gehen, wo wir Kapstadt und Umgebung auf eigene Faust erkunden wollten. 

 

29. - 30. Oktober 2005: Zürich – Victoria Falls

Der Direktflug von Zürich nach Johannesburg war problemlos. Wir fanden einige Stunden Schlaf und nach 10 Stunden hatte ich zum ersten Mal afrikanischen Boden unter den Füssen. Nach einem kurzen Weiterflug mit British Airways landeten wir in Livingstone, Sambia. Dort begann das Abenteuer und alles Weitere fand seinen Lauf... 

Ein Chauffeur brachte uns zur Natural Mystic Lodge, wo wir die erste Nacht verbrachten. Die Fahrt führte zuerst aus der Stadt hinaus und anschliessend über eine Landstrasse Richtung Victoria Falls. Plötzlich rief der Chauffeur „giraffe“. So sehr wir uns auch anstrengten, wir konnten nichts sehen. Unser Auge musste sich erst noch an die neue Umgebung gewöhnen. Die Lodge wurde im typisch afrikanischen Stil gebaut. Auf dem Holzsteg von der Rezeption zu den Chalets erzählte man uns, dass hier einige Tage zuvor Elefanten vorbei kamen. Ich war überwältigt von den neuen Eindrücken und der Vorstellung, bald Wildtieren zu begegnen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt realisierte ich, wo ich wirklich war.

Am Nachmittag genossen wir eine Tour zu den berühmten Victoria Fällen. Im Jahre 1855 entdeckte der Missionar und Forscher Dr. David Livingstone auf einer seiner Expeditionen die imposanten Wasserfälle und benannte sie nach der damaligen englischen Königin. Von den Einheimischen werden die Wasserfälle „Mosi-oa-Tunya“, donnernder Rauch, genannt. Auf einer Breite von 1.7 km stürzt der Sambesi in die teilweise über 110 m tiefe Schlucht. Während der Regenzeit können dies bis zu 550 Millionen Liter Wasser pro Minute sein. Im Oktober hingegen herrscht Niedrigstand und wir konnten das Ausmass der Wassermenge nur erahnen. Wo sonst Krokodile anzutreffen sind, waren jetzt nur heisse Steine und vereinzelte Grasbüschel zu sehen. 

Als wir am Abend an der Bar auf unseren Guide warteten, kam ich ins Gespräch mit einer Frau, die schon 35 Mal in Afrika im Urlaub war. Wahnsinn, wird das nicht langweilig, schoss es mir blitzschnell durch den Kopf. Bis dahin glaubte ich noch fest, dass diese Afrikareise ein einmaliges Erlebnis für uns sein wird. Wie sehr ich Afrika in mein Herz schliessen würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen... Dann stellte sich unser Guide Russell vor, der uns während der kommenden 10 Safaritage begleitete und informierte uns über den Tagesablauf. Beim anschliessenden Abendessen lernten wir die anderen Teilnehmer (zwei Schweizer und vier Briten) der Tour näher kennen. Gemütlich liessen wir den Abend ausklingen und genossen eine letzte Nacht in Zivilisation. 

31. Oktober 2005: Livingstone - Linyanti

Mit dem Überqueren des Sambesi Flusses verliessen wir Sambia beim Grenzübergang Kazangula und gelangten nach Botswana. Am Chobe Fluss stiegen wir auf das Motorboot um und genossen unsere allererste Safari. Schon kurz nach dem Start sahen wir viele Tiere: Schlangenhals- und Graueisvögel, Büffel, Hippos, Krokodile, etc. Aber am meisten faszinierten uns die Elefanten, die vor unserem Boot den Fluss durchquerten. Glücklich und verspielt genossen sie das kalte Bad. Es war toll, ihnen zuzusehen. Auf der kurzen Autofahrt vom Chobefluss zum Flughafen Kasane kamen wir in einen Sturm, der die Kühlerhaube gegen die Windschutzscheibe schmetterte. Glücklicherweise kamen wir mit einem Schock davon...

Auf dem Flugplatz von Kasane wartete eine böse Überraschung auf mich. Eine kleine Cessna sollte uns in den Busch fliegen. Die Erinnerungen an meinen letzten Flug in einer ähnlich kleinen Maschine über den Grand Canyon waren alles andere als gut. Aber ich hatte keine Wahl. So setzte ich mich in eine Zweierreihe ans Fenster. Die Anspannung war gross und die Turbulenzen erheblich. Immer wieder konnte man kleine, ca. 10 m bis 15 m hohe Windhosen sehen, die Staub in die Luft wirbelten. Schon nach kurzer Zeit war mir übel. Gottseidank dauerte der Flug „nur“ 45 Minuten. Ich war erleichtert, als ich wieder festen Boden unter den Füssen spürte. 

Die letzten Kilometer zu unserem vorerrichtetem Camp im Linyanti Konzessionsgebiet legten wir mit einem offenen Geländewagen zurück. Über sandige Pisten ging es durch die von Elefanten gezeichnete Landschaft. Botswana, das als einziges Land die Wilderei erfolgreich bekämpft, plagt eine Elefanten Überpopulation. In der trockenen Jahreszeit ist dies ein besonderes Problem. Wir sahen seltene Pferdeantilopen, ein niedlicher Buschbock, Giraffen und natürlich Elefanten wie Sand am Meer. Bei Sonnenuntergang erreichten wir das Linyanti Adventure Camp. Die Crew erwartete uns schon und begrüsste uns mit afrikanischem Gesang. Es war ein bewegender Moment. Die Mitarbeiter im Camp strahlten eine besondere Herzlichkeit aus. Die einen waren etwas scheu, aber genau das machte sie so sympathisch. Der Komfort bezüglich Unterkunft nahm fortan ab. Für die nächsten zwei Nächte logierten wir in einem gemütlichen Dom Zelt mit Betten, Schrank und eigenem Bad und Toilette. Im Zelt fanden wir eine selbst gebastelte Willkommenskarte, über die ich mich sehr freute. Wegen den vielen Elefanten durften wir das Zelt nach Einbruch der Dunkelheit nur noch in Begleitung eines Guides verlassen. Wir selber erlebten keine Konfrontation mit den Dickhäutern, aber das ältere britische Ehepaar hatte eine Begegnung der besonderen Art… Das Abendessen schmeckte herrlich und die Stunden am knisternden Lagerfeuer waren ein besonderes Erlebnis. Um 22.30 Uhr gingen wir ins Bett. Die erste Nacht im Busch war verblüffend ruhig. Oder waren wir so erledigt von den vielen neuen Eindrücken, dass wir gar nichts mehr um uns herum wahrnahmen? Wir wissen es bis heute nicht...

1. November 2005: Linyanti

Den nächsten Tag verbrachten wir mit dem Erkunden der privaten Linyanti Konzession. Die Flusslandschaft bot einen schönen Kontrast zur Savannenlandschaft und den Mopani Wäldern. Der Tierreichtum in der Gegend war toll. Langsam gewöhnten sich auch unsere Augen an die neue Umgebung, so dass wir auch schon Tiere ohne Hilfe erspähten. Wir sahen sogar eine Giraffe, die sich liegend unter einem schattenspendenden Baum ausruhte. Erstmals kreuzten wir ein anderes Auto an diesem Tag. Es war ein Ranger, der Russell die Lokation zweier Löwen bekannt gab. Mir ist bis heute ein Rätsel, wie Russell wusste, wo genau sich die Raubkatzen aufhielten. Jedenfalls steuerte er nach weiteren 45 Minuten Fahrzeit direkt auf die Löwen zu. Diese, ein Männchen und ein Weibchen, lagen unter einem Busch und erholten sich vom Paarungsakt. Bis auf wenige Meter konnten wir uns mit dem Geländewagen nähern. Wir durften uns zwar bewegen, aber nicht aufstehen. Denn dann könnten die Löwen den Menschen vom Fahrzeug unterscheiden und unter Umständen angreifen. Obwohl wir einige Zeit bei den Raubkatzen verbrachten, machten diese keinen Mucks mehr. Madame wollte nicht wie Monsieur wollte und schlenderte zu einem neuen Schattenplätzchen. Russells Kommentar: „I bet she has a headache....!?“. Wir mussten alle schallend lachen. Aus dem Nichts tauchte plötzlich eine Elefantenherde inklusive Jungtieren auf. Sie waren über die Anwesenheit der Löwen ganz und gar nicht erfreut, denn diese stellten eine Gefahr für die kleinen Elefäntlein dar. Die Leitkuh preschte trompetend und mit flatternden Ohren auf die Löwen zu. Die Kraftverhältnisse waren unmissverständlich. Die Löwen zögerten keine Sekunde und räumten das Feld. Dennoch verfolgte sie die Leitkuh noch ein ganzes Stück weiter – Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Zurück blieb eine dicke Staubwolke. Nach diesem faszinierenden Erlebnis kehrten wir erstmals für ein Mittagessen und ein Nickerchen ins Camp zurück.

Am Nachmittag unternahmen wir eine Kanufahrt auf dem Linyanti. Aufgeteilt in vier Kanus glitten wir geräuschlos übers Wasser und konnten Laute und Geruch von Tier und Natur wortwörtlich in uns aufsaugen. Bei Dämmerung versammelten sich viele Elefanten beim Fluss, um ihren Durst zu stillen. Die Zeit schien still zu stehen. Ich konnte nicht genug kriegen - Elefanten soweit das Auge reichte! Wir waren erstaunt, wie leise sich die über sieben Tonnen schweren Kolosse fort bewegten, weder ein dumpfes Geräusch noch eine Erschütterung war wahrzunehmen. Später kam eine einzelne Elefantenmutter mit ihrem Kleinen zum Wasser. Beim Durchwaten des Flusses reichte ihr das Wasser bis zur Mitte des Bauchs. Der Kleine hingegen tauchte mit jedem Schritt mehr ins Nass ein. Dann war nur noch der Rüssel, weit in die Luft hoch gestreckt, sichtbar und schliesslich verschwand er ganz von der Bildfläche. Aber es bestand kein Grund zur Sorge. Elefanten sind gute Schwimmer und er rettete sich sicher ans andere Ufer. Diese Kanufahrt gehörte zu den absoluten Höhepunkten der Safari und wird mir noch lange in Erinnerung bleiben! 

Nach einem aufregenden Tag und einem ausgezeichneten Nachtessen im Camp sank ich todmüde ins Bett und schlief unmittelbar ein. Marcus war noch wach und konnte mich gerade noch rechtzeitig wecken, als eine Elefantenherde auf dem Trampelpfad neben unserem Zelt zum Wasser marschierte. Überglücklich beobachteten wir sie eine Weile bevor wir zufrieden in die Welt der Träume sanken. 

2. November 2005: Linyanti – Savuti 

Wie üblich brachen wir zu einer frühen Morgenpirsch um 6.00 Uhr auf. Unweit vom Camp näherten wir uns einer Impalaherde. Die Antilopen schenkten uns keine Beachtung, sondern starrten angespannt in eine andere Richtung. Russell war sofort klar, dass ein Raubtier in der Nähe sein musste. Es war eine intensive und anstrengende Suche über Baumstämme und Sträucher abseits des offiziellen Weges, aber der Einsatz zahlte sich aus. Wir entdeckten eine Löwin neben einem Strauch und kurz nach unserer Ankunft rief sie mit ihrem tiefen Bass nach ihrem Partner. Es kam jedoch keine Antwort und schliesslich wurde ihre Neugier doch zu gross. Sie stand auf und beschnupperte unser Fahrzeug auf exakt unserer Höhe. Mein Puls war auf 180, aber als ich Russells relaxter Blick sah, entspannte ich mich schnell wieder. Das war Adrenalin pur! Wir waren aus dem Häuschen vor Freude!

Anschliessend fuhren wir zum Wasser hinunter, um unsere Blicke über den Flusslauf schweifen zu lassen, in der Hoffnung, etwas Interessantes zu entdecken. Es war ein schmaler, steil abfallender Weg und Russell nutzte jeden letzten Zentimeter auf trockenem Untergrund aus. Plötzlich kam ein junger Elefantenbulle wie eine Furie auf uns zu gerannt. Mit ihm war nicht gut Kirschen essen. Den Bullen stets im Blickfeld haltend, preschte Russell zurück. Dies war ein schwieriges Unterfangen, zumal die Räder teilweise spulten. Plötzlich gab es einen Aufprall und einen lauten Knall. Russell rammte einen Baumstamm, welcher die Rückenlehne der letzten Sitzreihe massiv eindrückte. Gottseidank verletzte sich niemand dabei. Und der Elefant beruhigte sich auch langsam wieder. 

Es reichte noch für eine kurze Fusssafari, auf der hauptsächlich die kleinen Tiere und Pflanzenwelt im Fokus standen, bevor wir uns auf den Weg nach Savuti machten. Es war eine uninteressante Fahrt durch karge Landschaft und ohne Aussichten auf Tierbeobachtungen. Obwohl es ganz gewaltig holperte, nickte ich zwischendurch ein. Dann musste die Fahrt wegen einer Reifenpanne abrupt unterbrochen werden. Das Loch war zu gross, so dass das Reserverad zum Einsatz kam. Etwas später bohrte sich eine dicke Akaziennadel in einen weiteren Pneu. Ohne zweites Reserverad war nun unsere Kreativität gefragt. Wir pumpten den Reifen manuell auf, steckten ein kleines Hölzchen in Form eines Streichholzes ins Loch, so dass möglichst wenig Luft entwischen konnte und fuhren schnell weiter. Alle 15 Minuten mussten wir diese Prozedur wiederholen. Mit der Zeit sitzte jeder Handgriff. Erleichtert schnauften wir auf, als wir das Camp auf einer kleinen Anhöhe erreichten. In Harmonie mit der Umgebung wurden die temporären Igluzelte von Wilderness Safaris Mitarbeiter aufgestellt. Sogar die weisse Tischdecke auf dem Esstisch fehlte nicht. Am aufregendsten war jedoch mit Abstand die Konstruktion der Buschdusche. Ein Eimer, gefüllt mit 20 Liter Wasser pro Paar, wurde mit einem Seil via Ast in die Höhe katapultiert. Ein Ventil regulierte den Wasserabfluss durch einen Spritzkannenaufsatz. Wir konnten diesem erfrischenden Erlebnis nicht widerstehen, obwohl es schon die zweite Dusche an diesem Tag war. 

Auf der Nachmittagspirsch hielten wir vergebens Ausschau nach dem Löwenrudel, für das Savuti so bekannt ist. Ein Ranger berichtete uns, dass die Raubkatzen den Luxuspool einer Privat Lodge genossen, zu der uns die Zufahrt verweigert wurde. So begaben wir uns zu den künstlichen Wasserstellen. Der Savuti Channel führt seit Jahren kein Wasser mehr und nur noch der Name erinnert an das ehemalige Schwemmgebiet. Auf der Suche nach den besten Weideflächen wandern viele Tiere zwischen dem Linyanti und dem Savuti Marsh hin und her. Am Wasserloch herrschte Hochbetrieb - es war ein ständiges Kommen und Gehen: Kudus, Zebras, Warzenschweine, Tüpfelhyänen und natürlich Elefanten. Und somit war auch die Hackordnung am Wasserloch bestimmt. Elefanten, Elefanten und nochmals Elefanten. Erst als sie alle weg waren, konnten die anderen Tiere ihren Durst stillen. 

Zurück im Camp hörten wir sowohl während dem Nachtessen als auch in der Nacht Löwen brüllen. Es ist ein faszinierendes Geräusch, das durch Mark und Bein geht.

3. - 5. November 2005: Savuti – Khwai

Die Weiterreise führte in südliche Richtung und wir wurden mit einer ersten ernsthaften Panne konfrontiert. Das Kühlwasser kochte und verhinderte eine Weiterfahrt. Den Deckel des Kühlwasserbehälters verloren wir wahrscheinlich auf der Holperpiste. Dadurch gelangte Luft ins System und brachte das Wasser zum Kochen. Blosses auffüllen half bei diesen Schlaglöchern nicht und der Funkkontakt war tot. Also rannte Russell, ausgerüstet mit einer Wasserflasche und GPS, zurück ins Camp. Während wir auf Hilfe warteten, zogen die Geier schon ihre Kreise über uns. Nach einer Stunde kam Russell mit einem passenden Deckel zurück. Die Reise konnte fortgesetzt werden. Diesmal war die technische Verschiebung spannender. Leierantilopen, Wasserböcke, Büffel, Giraffen, Paviane, Zebras und diverse Vögel, vom Raubvogel über Gaukler und Geier zum Sattelstorch, kreuzten unseren Weg.

Wir erreichten das private Konzessionsgebiet in der Khwai Region am späteren Nachmittag. Khwai liegt, angrenzend ans Moremi Wildschutzgebiet, nordöstlich des Okavango Deltas und ist ein Gebiet mit hohen, immer grünen Bäumen. Die kleinen Igluzelte im Lechwe Island Camp wurden unter schattenspendenden Bäumen platziert. Das Musikprogramm der Natur war in dieser Nacht besonders eindrucksvoll: Hyänen lachten, Elefanten trompeteten und die Löwen brüllten in naher Umgebung des Camps. So müsste es immer sein.

5. - 7. November 2005: Khwai – Okavango Delta 

Auf der Morgenpirsch erspähte Russell in der Ferne Wildhunde. Er schrie „mind your head“, drückte aufs Gaspedal und preschte davon. Wir mussten sehr achtsam sein, dass uns keine Sträucher und Äste ins Gesicht schlugen. Dieses Risiko nahmen wir aber gerne in Kauf, wenn wir dafür mit Wildhunden belohnt werden. Leider entwischte uns das Rudel. Neben einem kleinen Wasserlauf entdeckten wir jedoch einen verletzten Wildhund im Gras. Sein Bauch war aufgeschlitzt und der Magen hing heraus. Es war grausam mit anzusehen, wie er langsam krepierte. Es waren die letzten Stunden von „Brian“, wie sich in der Wildhund-Forschungsstation später heraus stellte. Die Wissenschaftler konnten aufgrund unserer Digitalfotos erkennen, um welchen Wildhund es sich handelte. Sie vermuteten, dass Brian während der Jagd auf Impalas von einem Warzenschwein oder Büffel tödlich verletzt wurde. Es war eine traurige Situation, aber auch das gehört zur Natur. 

Das Zvieri wurde neben der Flugpiste unter einem riesigen Baobab serviert, während wir auf die Cessna warteten, die uns ins Herz des Okavango Deltas fliegen sollte. Da ich schon wusste, was mich erwartete, verzichtete ich dankend auf die Zwischenmahlzeit. Gottseidank wurden wir nicht mehr ganz so schlimm durch geschüttelt wie auf dem ersten Flug. Aber die Ungewissheit, dass es jederzeit passieren könnte, machte den Flug zu einer Zitterpartie. Nach 30 Minuten landeten wir in Xigera (Kitschera gesprochen). Dort warteten schon die Poler mit ihren Mekoro, den typisch schmalen, wackeligen Booten aus Fiberglas. In jedem Boot konnten zwei Personen Platz nehmen. Ein Poler stakste das Boot mit einer langen Holzstange durch die schmalen Kanäle des Okavango Deltas vorwärts. Um das Gleichgewicht des Mokorofahrers nicht zu stören und ein Bad im kühlen Nass zu vermeiden, mussten wir wie Kartoffelsäcke im Boot sitzen. Das war gar nicht immer so einfach, wie es sich anhörte. 

Im Vordergrund dieser zwei Tage standen eine vielfältige Vogelwelt, die Vegetation und kleine Wildtiere. Die Ruhe auf dem Wasser war einzigartig. Nur das Eintauchen der Holzstange ins Wasser war hörbar. Und natürlich die Tiere. Dann begann sich Feuchtigkeit am Himmel zu sammeln. Die Hitze wurde fast unerträglich (nachts kühlte es nicht mehr unter 24 Grad Celsius ab). Dramatische Wolkenformationen und ein Blitz in der Ferne kündeten den ersten Frühlingsregen an. Nur im Okavango Delta liess der Regen noch ein paar weitere Tage auf sich warten.

Im Xigera Mokoro Trail Camp bezogen wir unsere Zelte. Alle Igluzelte lagen unter kleinen Baumgruppen und waren mit dünnen Schlafmatten ausgestattet, welche einiges bequemer waren als die hängemattenartigen Feldbetten in den letzten beiden Camps. Auf dem "Thron" (WC) im Busch genoss man extra weite Fernsicht in die Natur. Das war tagsüber zwar schön, aber nachts ziemlich beängstigend, wenn man die Tiere zwar hören, aber nicht sehen konnte.

Am nächsten Morgen entdeckte die Crew frische Löwenspuren im Camp. Das Ziel unserer Fusssafari stand somit fest. Nach einer kurzen Mokorofahrt auf eine andere Insel gingen wir zu Fuss in Einerreihe weiter. Angeführt wurden wir von einem Ranger mit Gewehr, während Russell das Schlusslicht machte. " Whatever happens, don't run", wurde uns immer wieder eingetrichtert. Denn was rennt, wird als Beute angesehen. Als wir uns dem Löwen auf 30 m näherten, war mir schon ein bisschen mulmig zumute. Das ins Alter gekommene Löwenmännchen schlief neben einem Elefantenkadaver, der erbärmlich stank. Beim ersten ungewöhnlichen Laut unseres Führers hob er den Kopf und verschwand blitzschnell im Dickicht. 

7. - 8. November 2005: Okavango Delta - Johannesburg

Nach einem letzten Mittagessen im Busch hiess es Abschied nehmen. Schweren Herzens verabschiedeten wir uns von Russell und den anderen Teilnehmern. Die Poler brachten uns zurück zum „Flughafen“ Xigera und gaben uns als Andenken eine frische Seerosenkette mit auf den Weg, welche leider schon bald welkte. In Maun blieb noch genügend Zeit für einen kurzen Souvenirbummel und ein Mittagessen. Eine lustige Szene beobachteten wir vor der Abflugshalle, die wohl das Vorurteil einiger Leute gegenüber den Afrikanern bestätigte: Ein Strassenarbeiter arbeitete und zwölf Afrikaner schauten zu. Wir mussten beide schmunzeln. 

Via Maun flogen wir zurück nach Johannesburg. Leider hatten wir an diesem Abend keinen Anschlussflug mehr nach Kapstadt, so dass wir wohl oder übel in Johannesburg "stranden" mussten. Die Lobby vom Holiday Inn Garden Court Hotel am Flughafen von Johannesburg war klimatisiert, im Hintergrund lief Musik und die paar wenigen Leute nervten uns gewaltig, obwohl sie uns gar nichts zuleide getan hatten. Nach 10 Tagen Busch waren wir das erste Mal wieder in Zivilisation und erlebten einen gewaltigen Schock. Und das Essen im hoteleigenen Restaurant musste als miserabel abgestempelt werden. Dafür genossen wir die erste richtige Dusche umso mehr.

 

8. - 11. November 2005: Johannesburg - Kapstadt - Hermanus

Nach einem kurzen Flug landeten wir in Kapstadt. Wir checkten im Hotel Fritz ein, welches mitten im Stadtzentrum an einer ruhigen Wohnstrasse lag. Die im Art Deco Stil gehaltenen Zimmer waren individuell eingerichtet. 

Am Nachmittag fuhren wir mit einer Schweizer Gondelbahn auf den Tafelberg. Die Warteschlange war lang und die Sonne brannte auf uns nieder. Aber es lohnte sich. Vom Tafelberg genossen wir eine grandiose Aussicht auf Kapstadt und das Meer und konnten uns auf einer kurzen Wanderung nochmals dem Menschenrummel entziehen. Der Wind wehte jedoch stark und die Temperaturen waren um einiges niedriger als an der Talstation, so dass wir früher als geplant wieder zurückgingen. 

Am nächsten Tag schlenderten wir zur Victoria & Alfred Waterfront. 1860 begann der junge Prinz Alfred mit dem Bau des ersten Hafendamms. Da die Schiffe immer grösser wurden, baute man das Victoria Becken, um das Alfred Becken zu entlasten. Ab 1960 verfielen die Becken und die umliegenden Hafengebäude zusehends, bis 1988 die Waterfront Gesellschaft beschloss, die Anlagen zu modernisieren und auszubauen. Am Hafen buchten wir eine Tour nach Robben Island. Bekannt wurde die Insel mit dem Insassen Nelson Mandela. Das ehemalige Gefängnis ist heute ein Museum. Die Tour beurteilten wir als durchschnittlich.

Gegen 14.30 Uhr begaben wir uns zum Stadtbüro der Mietwagenfirma Budget für die Entgegennahme des Mietautos. Mit dem Auto fuhren wir am Abend an die Camps Bay, an der abgehärtete Leute im kalten Wasser badeten. An der Camps Bay stehen viele luxuriöse Villen und das Abendessen (Fisch und Meeresfrüchte) im Codfather war sensationell und in Anbetracht der Qualität preisgünstig. 

Am nächsten Tag verliessen wir Kapstadt und fuhren mit dem Auto via Chapman’s Peak, der schönsten Küstenstrasse in Kapstadt, zum Kap der guten Hoffnung. Der Wind wehte so stark, dass wir kaum aus dem Auto steigen konnten. Die Autotür riss es einem regelrecht aus der Hand. Die Wellen peitschten über die Felsen bei der Bucht - ein tolles Fotomotiv, wobei es schwierig war, die Kamera ruhig zu halten. 

Auf der Weiterfahrt stoppten wir in Simon’s Town, einer Pinguinkolonie. Über Holzstege konnten wir uns den niedlichen Wasservögeln nähern und zusehen, wie sie tollpatschig auf die Felsen watschelten. Unser heutiges Etappenziel hiess Hermanus, ein kleines Küstenstädtchen mit idealen Walbeobachtungsmöglichkeiten. Da wir für diese Nacht keine Reservation hatten, klapperten wir erstmals die verschiedenen Unterkünfte ab. Alles ausgebucht. Einzig das Auberge Burgundy Guesthouse hatte noch ein Zimmer frei. Kostenpunkt CHF 240 pro Zimmer inklusive Frühstück. Das war ziemlich happig. Wir hätten die Buchung besser schon aus der Schweiz vorgenommen, aber im Nachhinein ist man immer schlauer. 

11. - 12. November 2005: Hermanus – Stellenbosch 

Wir freuten uns auf die Walbeobachtungstour, die wir am Vortag gebucht hatten und die auch Anlass für diesen Abstecher nach Hermanus war. Leider erwies sich die Tour als Flop. Ausser den Rückenflossen bekamen wir nicht viel von den Kolossen zu sehen. Ganz abgesehen davon, dass meinem Magen die Schauklerei auf dem Boot gar nicht gut bekam...

Zum Schluss fuhren wir in die bekannte Weinregion Stellenbosch nördlich von Kapstadt. Nach der Degustation dreier verschiedener Weingütern spürte ich jedoch bereits den Alkohol. Wir legten eine Pause ein und stärkten uns mit einer kleinen Mahlzeit. Anschliessend deckten wir uns noch mit drei Flaschen Pinot Noir als Andenken ein. 

 

12. - 13. November 2005: Stellenbosch - Zürich

Dann folgte alles Schlag auf Schlag. Wir retournierten den Mietwagen am Flughafen in Kapstadt und nach einem Nachtflug landeten wir bereits wieder in Zürich. Es war ein kalter, trüber Novembertag und wir hätten viel dafür getan, gleich wieder ins nächste Flugzeug zu steigen und umzudrehen. Denn gedanklich waren wir immer noch in Afrika. Der Einstieg in den Berufsalltag fiel uns diesmal besonders schwer. Zu gross war die Sehnsucht nach Afrika. Die Erlebnisse im Busch hinterliessen einen nachhaltigen Eindruck und prägten uns mehr als wir je erwartet hätten. Wir hinterfragten viele Dinge in unserem Alltag, die für uns plötzlich an Wichtigkeit verloren. Einziger Trost gaben uns die unzähligen Erinnerungen und die vielen Fotos, von denen wir in den nächsten Wochen und Monaten träumen konnten und die es zu verarbeiten galt. Afrika, wir kommen wieder!

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Abenteuer zwischen roten Sanddünen