Kleine Schritte in die grosse Welt

Auf dieser Safari betreten wir einmal mehr Neuland. Wir tauschen Löwen gegen Tiger aus, Nationalpark gegen Schutzgebiet und Savanne gegen Canyon. Und doch fühlt sich alles so vertraut an. Der wohlig warme Duft Afrikas weckt augenblicklich Erinnerungen und die Sehnsucht nach neuen Begegnungen mit wilden Tieren. Schon auf der Fahrt vom Flughafen ins Schutzgebiet macht sich ein Gefühl von Geborgenheit und Glück in mir breit, kombiniert mit einer Portion Aufregung und Vorfreude. Wir passieren das letzte Dorf mit 950 Einwohnern und folgen den Braun-Orangenen Schildern mit der Aufschrift «Tiger Canyon» über eine holprige Schotterpiste für weitere 50 Minuten ins Nirgendwo. Eines werden wir in den Weiten des Karoo ganz bestimmt finden: Ruhe. Einsamkeit. Wilde Tiere. Weit weg von der Zivilisation auf einem 61'000 Hektar grossen Gelände befindet sich der «Tiger Canyon» mit einer einzigen Lodge und drei Gästezimmern. Nach insgesamt 18 Stunden Reisezeit sind wir endlich am Ziel angekommen und stehen gleichzeitig am Anfang unseres Abenteuers.

In den kommenden Tagen sehen wir täglich mehrere Tiger auf unseren Wildbeobachtungsfahrten. Unser Guide verfügt über einen sechsten Sinn, so dass Tiger Sichtungen nahezu garantiert sind. Der Tiger ist stark bedroht, und Asien kämpft darum, dass sein Bestand nicht noch weiter zurückgeht. Schlecht für den Tiger, schlecht für die Fotografie. Der «Tiger Canyon» in Südafrika ist ein revolutionäres Schutzgebiet, in dem Tiger in einer atemberaubenden Landschaft frei herumlaufen und das Fotografieren der seltenen Raubtiere ohne Massentourismus und Bedrängnis der Tiere möglich ist.

Unser erster Besuch im «Tiger Canyon» fällt auf September. Eigentlich steht dann der Frühling vor der Tür mit angenehmen Temperaturen. Doch das Wetter macht einmal mehr Kapriolen und überrascht uns bei Ankunft mit einer ersten Kaltfront und eisigen Minustemperaturen. Mit sieben Kleiderschichten am Oberkörper, Leggins plus warmer Outdoorhose und einer Mütze treten wir der Kälte entgegen. Es ist bitterkalt und nur eine Frage der Zeit, bis wir durchgefroren sind. Den Tigern scheint die Kälte nichts auszumachen. Sie «performen as usual». Die Strapazen sind schnell vergessen, als wir in den Genuss von drei knuddeligen Tigerbabys im zarten Alter von zwei Monaten kommen. Jackpot! Sie sind noch sehr scheu und verstecken sich häufig im Dickicht oder hinter Mama. Wir müssen uns also an Geduld üben, doch werden ab und an für wenige Sekunden mit freier Sicht belohnt. Je mehr Zeit wir mit ihnen verbringen, desto näher lassen sie uns an sich heran und desto mehr zeigt die Tigermama auch ihre sanfte, fürsorgliche und kooperative Seite. Es zeigt sich einmal mehr: Raubkatzen haben weit mehr zu bieten als nur ein Image als Top-Jäger. Zurück in der Lodge erleben wir beim Betreten unseres Zimmers eine freudige Überraschung. Im kleinen Kamin knistert ein Feuer und verbreitet eine wohlige Wärme, die mitten ins Herz trifft und sich dort einnistet wie ein samtweiches, schnurrendes Tier. Auch wenn sich die Kälte nachts wieder zurückschleicht, können wir sie zumindest temporär aus dem Zimmer sperren.  

Doch noch lange nicht genug. Die aride Landschaft des Karoo übertrifft sich einmal mehr selbst: Vor der zweiten Kaltfront bescheren uns einzigartige Wolkenformationen spektakulärste Lichtverhältnisse. Glasklare Luft, dramatischer Himmel, einzelne Sonnenstrahlen und dazu Tiger als Hauptdarsteller geben eine Szenerie wie in einem Bilderbuch. Zurück in der Lodge nippen wir an einem Glas Amarula und schwelgen bereits in den Erinnerungen an die grandiosen Erlebnisse. Die Weite Afrikas ist und bleibt ein Sehnsuchtsort. 

„Das Auge vergisst nie, was das Herz gesehen hat.“
(Afrikanisches Sprichwort)

 

Nachfolgend präsentieren wir ein Bilder-Potpourri von zwei Reisen in den «Tiger Canyon».

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Aussergewöhnliche Tiersichtungen