Hartnäckiger Wegbegleiter

Im diesjährigen Sommerurlaub ging es 10 Tage auf die Insel Madeira, einem kleinen portugiesischen Archipel im Atlantischen Ozean. Trotz ihrer geringen Grösse ist sie eine sehr fotogene Insel mit beeindruckenden zerklüfteten Küsten, majestätischen Bergen und magischen Nebelwäldern.

Der Flug mit Edelweiss ging in aller Herrgottsfrühe um 06:20 Uhr ab Zürich. Der vierstündige Flug war unspektakulär, was man von der Landebahn Madeiras nicht behaupten kann, die bekannt für spektakuläre Durchstartmanöver und nichts für schwache Nerven ist. Eine Landebahn auf Stelzen, eingeklemmt zwischen Bergkette und Atlantik, sieht wirklich alles andere als vertrauenswürdig aus und so erleben wir nach der bravourösen Landung zum ersten Mal seit Langem wieder einen Applaus der Fluggäste. Das Schlimmste war geschafft. Nach der Mietwagenübernahme konnte der Urlaub beginnen.

Unser erstes AirBnb hatten wir in Caniçal gebucht, ein kleines Städtchen, das als Ausgangspunkt für unsere Exkursionen nach Ponta de São Lourenço besser nicht hätte liegen können. Diese Landzunge unterschied sich landschaftlich vom Rest der Insel. Steppenartige Verhältnisse mit kargen Böden und steil abfallende Felswände dominieren das Landschaftsbild. Wir fuhren mehrmals nach Ponta do Rosto, ein fantastischer Aussichtspunkt mit Blick auf das Meer und die vulkanischen Klippen von Ponta de São Lourenço. Daneben unternahmen wir auch kurze Wanderungen auf der Landzunge und kletterten trotz starken Winden der Klippe entlang auf einen Hügel hinauf, von wo ein spektakulärer Blick über die ganze Landzunge garantiert war. Leider fielen sämtliche auf São Lourenço verbrachten Sonnenauf- und untergänge den dichten Wolken zum Opfer, so dass die gewünschten Fotos mit Farbspektakel am Himmel ausfielen. Weil sich das Wetter nicht zu unseren Gunsten entwickelte, nutzten wir die Zeit dazu, unsere Fühler weiter auszustrecken und den Rest der Insel zu erkunden: Santa Cruz, Funchal, Ponta da Sol, Fanal, Porto da Cruz, Ribeira da Janela und Porto Moniz waren unsere Ausflugsziele. Immerhin war auf den Nebel in Fanal Verlass, der dort ausnahmsweise gewünscht war. In Nebel gehüllt, verwandelte sich die Hochebene durch die uralten Lorbeerbäume in eine unglaublich mystische Landschaft. Viele der knorrigen Lorbeerbäume sind durch die rauen Sturmböen, die vom Meer aus über den Wald peitschen, gezeichnet. Es sind aber genau diese windschiefen und knorrigen Bäume, die dazu noch von filigranen hellgrünen Farnen und von vor Feuchtigkeit tropfenden Moosen bewachsen sind, die die spezielle mystische Atmosphäre dieses Ortes ausmachen. Wir waren im Fotohimmel. Nach jedem Bild wischten wir schnell die Frontlinse trocken, an der sich bereits nach kürzester Zeit die ersten Wassertropfen bildeten. Trotz der Kälte und leichtem Regen genossen wir es stundenlang den Wald zu fotografieren. Immer wieder fanden wir neue Motive, die uns in ihren Bann zogen.

Im zweiten Teil unseres Urlaubs waren wir in einem schicken AirBnB in São Vicente eingemietet. Von dort fuhren wir mehrmals zum Strand von Ribeira da Janela, wo sich eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Nordküste befindet: Neptune′s Finger Cliffs, eine Ansammlung markanter Felsen im Meer. Die Szenerie war wunderschön. Stundenlang liessen wir den Blick über das weite Meer schweifen, während uns der Wind um die Ohren pfiff. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Es war ein Ort zum Entspannen. Geniessen. Träumen. Allerdings schien uns Petrus in letzter Zeit im Urlaub nicht gut gesinnt zu sein. Ein paar fotogene Wölkchen am Himmel hatten wir bestellt, aber die dicken Wolken wurden zu einem hartnäckigen Wegbegleiter. Daher musste eine Planänderung her. An der Küste war offenbar nichts zu machen. Aber vielleicht auf der Hochebene? Deshalb fuhren wir am nächsten Morgen die steilen Bergstrassen hinauf. Dicker Nebel erschwerte die Sicht. Kurve um Kurve ging es immer weiter hinauf in eine vielleicht neue Welt. Und tatsächlich - kurz bevor wir das Hochplateau erreichten, stiessen wir durch die Wolkendecke hindurch. Auf Bica da Cana war ein wunderschöner Aussichtspunkt, von wo wir auf das Wolkenmeer hinunterschauen konnten. Das Licht für schöne Fotos war bereits zu grell, doch die Sonne wärmte unsere Herzen. Damit wir den Tag bei Sonnenschein verbringen konnten, entschieden wir uns spontan für die Wanderung zu den 25 Fontes. Diese Idee hatten leider zig andere Reisende auch. Auf dem Star der Levada Wanderungen trafen wir eine Völkerwanderung sondergleichen an. Wir trugen es mit Fassung und erfreuten uns schon bald am Felskessel 25 Fontes. Es ist ein Ort von ausgesprochener Schönheit mit grossen und kleinen Wasserfällen über die gesamte Breite und Höhe, die sich in einen kristallklaren kleinen Pool ergiessen. Glücklicherweise fanden wir auf der Seite ein ruhiges Plätzchen, an dem wir unsere Langzeitbelichtungen ungestört aufnehmen und den Trubel um uns herum ausblenden konnten.

Auch am nächsten Morgen versuchten wir unser Glück auf der Hochebene. Endlich ging unser Plan auf. Wieder liessen wir den Nebel auf halber Höhe hinter uns. Mit Stirnlampen ausgerüstet nahmen wir die letzten Höhenmeter zur Aussichtsplattform von Bica da Cana zu Fuss in Angriff. Es war stockdunkel. Zu unserer Überraschung waren wir die Ersten beim Aussichtspunkt. Oder die Einzigen? Der Himmel verfärbte sich langsam von blau-violett in ein leuchtendes Orange. Das Farbenspiel, die Ruhe und die Stimmung als der Tag erwachte, war ein beindruckender und einzigartiger Moment. Die Sonne liess nicht lange auf sich warten und leuchtete die Berge von Pico do Arieiro sowie die weisse Wolkendecke im Tal an. Die Szenerie war unwirklich wie von einer anderen Welt, fast schon episch. Pures Drama. Pures Licht. Pure Magie. Grossartig! Weiter ging es um die «Ecke» nach Fanal, wo sich die sonst so dichte Wolkendecke zu lichten begann. Sanft und zögerlich durchbrachen die ersten Sonnenstrahlen den Nebelschleier. Der Wald um uns herum begann zu atmen. Noch mehr Feuchtigkeit stieg von den nassen Blättern empor, als würden sich die Bäume nach einem trockenen und sonnigen Tag sehnen. In diesen besonderen und kurzlebigen Momenten hiess es schnell zu reagieren, um die besten Bilder einzufangen. Dieser Ort zog uns bei all unseren Besuchen in seinen Bann. Die Atmosphäre an diesem Ort liess uns wahrlich ins Staunen geraten.

Unsere Zeit auf Madeira neigte sich dem Ende zu. Das Wetter auf der Insel war wechselhaft und unbeständig. Zig Male standen wir vergebens vor Sonnenaufgang auf und verzichteten auf gemütliche Abendessen, um zur (theoretisch) besten Stunde bei den «Photospots» zu sein. Doch am Ende wurden wir mit einem bezaubernden Sonnaufgangs-Erlebnis zwischen Himmel und Himmel belohnt – dem Geduldigen eröffnet sich eine Welt, die schöner ist als jeder Traum.

«Über den Wolken scheint immer die Sonne.»
(Yod Udo Kolitscher)

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Goldener Herbst