Bergwelten der Rocky Mountains

Eigentlich war eine zweite Safari mit unseren Freunden ins Südliche Afrika geplant. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Die Neugier auf ein neues Land wuchs stetig. Wir warfen unsere Pläne über Bord und verfolgten wieder frühere Absichten. Diesmal sollte es klappen mit Kanada. Ich überarbeitete die Route und recherchierte intensiv im Internet. Langsam zeichnete sich die Reiseroute ab und mit den Hotelbuchungen kam ich gut voran. Die Flugtickets wollte ich mit unseren Gratismeilen kaufen, aber die gewünschten Flüge bis Vancouver waren nicht verfügbar. Täglich überprüfte ich den Status im Internet und wurde schliesslich für meine Geduld belohnt. 

Nach einem ganzen Jahr ohne Ferien brauchte ich dringend einen Tapetenwechsel. Lange plagten mich die Sehnsucht und das Fernweh. Jetzt endlich war es soweit.

 

8. - 9. August 2009: Zürich - Vancouver

Es war Samstag. Endlich mal genug Zeit zum Packen und gemütlich zum Flughafen zu fahren. Der Flug von Zürich via Frankfurt nach Vancouver war angenehm und wir fanden bereits ein paar Stunden Schlaf. So konnten wir dem Jetlag hoffentlich etwas entgegen wirken. In Vancouver stiegen wir in den Shuttlebus und fuhren zum Hotel Pacific Palisades an der Robson Street, wo wir für die nächsten drei Nächte gebucht waren. Unser Zimmer hatte zwei grosse Räume, einen Esstisch und eine Küche. Hier liess es sich ganz gut Leben ;-) Zum Abendessen gingen wir ins Restaurant Sala Thai, nur wenige Gehminuten von unserem Hotel entfernt. Das Essen schmeckte sehr gut und auch das Preis-Leistungsverhältnis war unübertrefflich. An diesem Abend gingen wir früh ins Bett, denn unsere Körper hatten sich noch nicht ganz an die 9 Stunden Zeitdifferenz gewöhnt.

 

9. - 11. August 2009: Vancouver

Es nieselte am Morgen und der weitere Wetterbericht war auch nicht vielversprechend. Wir nutzten den Vormittag für einen Einkauf in einem Outdoor Shop. Marcus deckte sich mit diversen Hosen ein, denn die Artikel sind um einiges günstiger als in der Schweiz. Am Mittag hellte der Himmel etwas auf. Wir spazierten durch das farbenfrohe Chinatown, welches mit einem exotischen Warenangebot lockte. Anschliessend schlenderten wir nach Gastown, dem ältesten Stadtviertel mit kopfsteingepflasterten Strassen und Backsteinhäusern. Eine alte Steamboat-Dampfuhr gab nach jeder Viertelstunde lautstark die Zeit an und lockte viele Menschen an. Den Abend liessen wir im Gotham Steakhouse ausklingen. Unser Outfit entsprach zwar nicht ganz dem Dress Code dieses Restaurants, aber dennoch begleitete uns der Kellner zu einem Tisch. Er schwärmte von der Qualität ihrer Steaks, was wir als nettes Geschwätz abstempelten. Aber das Fleisch war wirklich sagenhaft gut und mit Abstand das beste Filet Mignon, das wir je gegessen hatten. 

Am nächsten Morgen regnete es in Strömen. Bezüglich der Sehenswürdigkeiten eignete sich nur das Aquarium. Diese Idee hatten aber noch viele andere auch. Wir standen eine Stunde im Dauerregen an und meine regenabweisende Jacke liess mit der Zeit durch. Endlich hatten wir es geschafft. Von Belugawalen (mit Jungtier) und Delfinen über diverse kleine Meeresbewohner, wie zum Beispiel Quallen, wird dem Besucher alles geboten. Besonders aufregend war die Vorstellung im 4D Kino. Für Kinder waren die Effekte mit Wasser, Luft und Berührungen im Rücken sowie an den Beinen jedoch ziemlich unheimlich und einige verliessen die Vorstellung vorzeitig.

Es war wirklich ein Jammer, dass unser Aufenthalt in Vancouver im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fiel. Zu gerne wären wir mit dem Velo im Stanley Park herum gekurvt oder hätten uns die Innenstadt genauer angesehen. Vancouver soll bekanntlich zu den schönsten Städten Kanadas gehören, aber bei Regen kam das nicht zur Geltung.

11. - 12. August 2009: Vancouver - Victoria

Nach dem Frühstück machten wir uns auf zum Mietwagendepot von Budget. Wir bekamen einen roten PT Cruiser zugewiesen. Oje! Platz war absolute Mangelware in diesem kleinen Wagen… Ich stieg ein und drehte den Zündschlüssel. Aber der Motor sprang nicht wie erwartet an. Anstatt dessen ging die Alarmanlage los. Der zuständige Mechaniker kam sofort angerannt und schaute mich verständnislos und genervt als, als hätte ich keine Ahnung. Aber auch bei ihm heulte die Sirene, sobald er den Motor starten wollte. Er schickte uns zurück an den Schalter, um einen anderen Mietwagen zu verlangen. Es war jedoch kein Modell der gleichen Preiskategorie mehr verfügbar. So ein Pech ;-) Wir erhielten ein Upgrade zu einem komfortablen Ford Geländewagen. Die Platzprobleme waren gelöst. Nun hatten wir doch noch ein wenig Glück im Unglück!

Von der Vermietstation ging es zum Fährhafen. Ich musste mich erst an die Lichtsignale und für mich neue Regel gewöhnen, dass ich zum rechts abbiegen die Ampel ausser Acht lassen kann. Marcus lotste mich mit iPhone und Karte perfekt durch die Grossstadt. Trotzdem war ich nervös am Steuer und erleichtert, erst mal sicher den Hafen erreicht zu haben. Die Fährenüberfahrt von Tsawwassen (Vancouver) nach Swartz Bay auf Vancouver Island war gemütlich. Am Himmel standen einige Wolkenfelder und wir genossen die schöne Aussicht.

In Victoria checkten wir zuerst in unserem 4-Sterne-Hotel Inn At Laurel Point ein. Anschliessend kauften wir uns zwei Tickets für eine Walbeobachtungstour am nächsten Morgen und schlenderten entlang der Promenade ins Städtchen. Seit 1871 ist Victoria die Hauptstadt von British Columbia und bis heute hat sich der altenglische Charme bewahrt. Stattliche Steinbauten aus dem letzten Jahrhundert säumten die engen Gassen im Stadtzentrum. Von den Laternenpfählen hingen grosse, von Blumen überquollene Körbe. Aufgrund des milden Klimas und des häufig sonnigen Wetters wird die Stadt zurecht auch „Gartenstadt im Sonnenschein“ genannt. In der Chinatown herrschte ein farbenfrohes Nebeneinander an Kräuter- und Teeläden, Obst- und Fischständen. Während wir durch die Gassen im Städtchen flanierten, hielten wir Ausschau nach einem geeigneten Lokal fürs Abendessen. Die Wahl fiel aufs Pescatores Seafood Restaurant, wo Marcus natürlich eine grosse Portion Muscheln bestellte, während ich mit einem Lachsfilet und Gemüse vorliebnahm. Bei lauen Temperaturen spazierten wir entlang des Ufers zurück zu unserem Hotel.

12. - 13. August 2009: Victoria - Tofino

Heute Morgen stand die Walsafari auf dem Programm. Nach einem leichten Frühstück, um der Seekrankheit vorzubeugen, eilten wir zum Fisherman’s Wharf, wo mehrere Dutzend Boote vertäut lagen, darunter auch zahlreiche Hausboote. Ausgerüstet mit Schwimmwesten und Overalls stiegen wir ins Boot von Eagle Wing und donnerten mit rund 80 km/h zu den Schwertwalgruppen und Seehundkolonien. Bis anhin hatten wir immer Pech auf unseren Waltouren, aber heute gehörten wir endlich zu den Glücklichen, die diese friedlichen Meeressäuger beobachten durften. Nur ganz kurz tauchten die Wale auf zum Luft holen und es war schwierig auszumachen, wo sie als nächstes an die Wasseroberfläche kommen würden. Ein Killerwal tauchte ganz dicht vor unserem Boot auf und schwamm dann unter uns davon. Es war ein tolles Erlebnis, zumal auf dem kleinen Boot nur wenige Leute Platz fanden. Wir rauschten an grossen Schiffen mit vielen Touristen an Board vorbei und waren froh, nicht Teil von ihnen sein zu müssen.

Nach der Safari mussten wir uns auf den Weg ins 320 km entfernte Tofino machen. Trotz später Stunde stoppten wir kurz vor Victoria, um ein iPhone Kabel für's Auto zu kaufen. So hatten wir auf der Weiterfahrt nette Unterhaltung. Ab Nanaimo kamen wir auf der schmalen, kurvenreichen Strasse nur langsam voran. In Tofino angekommen, suchten wir um 19.00 Uhr erstmals unsere Unterkunft. Mit Schrecken musste ich feststellen, dass ich die Clayoquot Orca Lodge zwar anfragte, aber nicht rückbestätigte und deshalb bestand keine Reservation für uns. Die gewünschte Zimmerkategorie war natürlich nicht mehr verfügbar und wir mussten ein Zimmer nehmen, das CAD 100 mehr kostete als ursprünglich geplant ;-(

Nachdem wir im beliebten Sobo Restaurant keinen Platz mehr fanden, reservierten wir gleich für den nächsten Tag einen Tisch und wichen deshalb an diesem Abend auf das Schooner Restaurant mit schöner Aussicht aufs Meer aus. Dieses kleine Fischerdörfchen spezialisierte sich, ganz zu Marcus' Freude, auf Meeresfrüchte.

13. August 2009: Tofino

Das Wetter liess wiederum zu wünschen übrig, sodass das sonst malerische Küstenstädtchen trüb und grau wirkte. Wir beschlossen, zuerst die kurze Wanderung durch den Pacific Rim Nationalpark zu machen. Der enge Pfad über Holzplattformen führte auch am Tage durch grünes Dämmerlicht, vorbei an gigantischen Baumstümpfen mit weit ausfächernden Wurzelenden und umgestürzten, fast verrotteten Riesenlebensbäume. In diesem urweltlichen Regenwald wachsen mächtige, 800 Jahre alte Riesenlebensbäume und Tannen, die unzählige raue Winterstürme überlebten. Mit den falschen Azaleen, Salmonbeeren und roten Heidelbeeren, die wie ein dichter Teppich den Boden bedeckten, bildeten die Farne und Moose ein Mosaik satter Grünschattierungen. 

Am Nachmittag lockte uns der 11 km lange Sandstrand von Long Beach zu einer Wanderung entlang der mit Treibholz bedeckten und vom Regenwald eingerahmten Küste. Wie ein riesenhaftes Mikadospiel türmte sich das Treibholz an den Stränden. Die Grösse der Douglasien- und Cedarstämme liess die Kraft der Winterwellen erahnen.

Wir liessen uns das Abendessen im Sobo Restaurant schmecken und stoppten anschliessend am Wasser, um noch einige Fotos von dieser mysteriösen Landschaft zu schiessen, da mich irgendwie an die Sage 'Nebel von Avalon' erinnerte.

14. - 15. August 2009: Tofino - Whistler

Wieder ging es die gleiche kurvenreiche Strasse zurück bis Nanaimo. Unser Ziel war die 15.00 Uhr Fähre, aber die Zeit wurde knapp. Dummerweise zweigten wir in Nanaimo in eine falsche Strasse ab und verloren wertvolle 15 Minuten. Bei dem dichten Verkehr konnte dieser Umweg Folgen für uns haben. Am Hafen bekamen wir dann die ernüchternde Nachricht, dass wir es nur mit viel Glück auf die drei Uhr Fähre schaffen würden. Das nächste Schiff ging erst um 16.40 Uhr, was eine zweistündige Wartezeit bedeutet hätte. Oje, und ausgerechnet an diesem Tag schien die Sonne und es war heiss. Uns blieb nur die Hoffnung. Die Fähre fuhr im Hafen ein und kurz darauf reihten sich auch schon die Autos nacheinander auf dem Schiff ein. Es schien, als wäre die Fähre voll, dennoch winkten die Mitarbeiter der Rederei den Autos zu, die in der Linie neben uns standen. Hoffentlich reicht es noch für uns, dachte ich. Und tatsächlich konnten wir als eines der letzten Autos auf die Fähre fahren. Die Überfahrt nach Horseshoe Bay war gemütlich. Anschliessend fuhren wir der Küste entlang in den Wintersportort Whistler. Wir checkten im Hotel Whistler Village Inn & Suites ein und gingen anschliessend zu Fuss ins Zentrum. Auf dem "Dorfplatz" des zukünftigen Olympiaortes war ein riesen Rummel wegen einem Mountainbike-Rennen, das an diesem Nachmittag ausgetragen wurde. Wir schlenderten weiter in die sorgfältig geplante Fussgängerzone und suchten ein Restaurant. Wir waren uns aber nicht einig und entschieden uns schliesslich für eine, wie sich später heraus stellte, fade Pizza beim Take Away. 

 

15. - 16. August 2009: Whistler - Clearwater 

Die umliegenden Berge versprachen tolle Wanderungen. Wir bedauerten, nicht mehr Zeit in Whistler eingeplant zu haben. Etwas wehmütig machten wir uns auf den Weg nach Clearwater. Es war mit Abstand die grösste Distanz auf der ganzen Rundreise und wir stellten uns auf einen Tag im Auto ein. Und mit der Musik war das ganze halb so schlimm. Kurz nachdem wir den Eingang zum Wells Gray Nationalpark passierten, sprang eine Bärenmutter mit ihren beiden Jungen über die Strasse. Der kleine Nachzügler fürchtete sich. Anstatt seiner Mutter und dem Geschwister in den Wald zu folgen, kletterte dieser, ganz zu unserer Freude, gleich neben der Strasse auf eine hohe Tanne. Verzweifelt rief der Kleine lange nach seiner Mutter und prüfte immer wieder, ob er noch beobachtet wurde. Wir waren das einzige Auto am Strassenrand und fotografierten durch das offene Schiebedach. Schlussendlich nahm er seinen ganzen Mut zusammen und wagte den Abstieg. Wir waren beide total aus dem Häuschen. Der kleine Bär mit seinem flauschigen Babyfell war entzückend und wir hätten ihm noch stundenlang zusehen können. Der Tag war gerettet!

Während wir an der Rezeption der Helmcken Falls Lodge anstanden, entdeckte ich einen Prospekt von einer Bärentour auf dem Blue River. Wie sich herausstellte, befand sich dieser auf dem Weg nach Jasper, unserer nächsten Station. Die Tour, die uns eine angenehme Abwechslung ins Land der Schwarzbären bieten sollte, war für mich gesetzt.

16. August 2009: Clearwater 

Im Wells Gray Nationalpark unternahmen wir diverse Ausflüge. Als erstes stoppten wir beim berühmten Helmcken Falls, einem 135 m hohen eindrucksvollen Wasserfall. Dann mieteten wir ein Kanu und paddelten auf dem ruhigen Clearwater Lake. Die Ruderbewegung war für mich äusserst ungewohnt und schon nach kurzer Zeit verliessen mich die Kräfte in den Armen. Wir mussten unsere Energien auf dem Rückweg einteilen und besser koordinieren. Wie im Militärstil gaben wir uns gegenseitig Paddel-Kommandos 'rechts, links, rechts' und kamen wesentlich besser voran als zuvor, dennoch war der Weg nicht zu unterschätzen. Nach jeder kleinen Bucht hoffte ich sehnlichst auf den Bootssteg. Nichts. Ich musste meine letzten Kräfte mobilisieren, ehe wir, erschöpft von den Strapazen, nach vier Stunden paddeln den Anlegeplatz erreichten. Ein unangenehmer Muskelkater während den nächsten Tagen war unumgänglich.

Als hätten wir an diesem Tag nicht schon genug Aktivitäten gehabt, bestand Marcus auf die 1.5-stündige Wanderung zu den Mineralquellen. Es gab unglaublich viele Mücken im Park, die uns regelrecht überfielen, sobald wir still standen. Die Wanderung führte über offene Ebenen und dichte, mit Farn und Moos übersäten Wäldern. Es war angenehm, auf dem gut gepolsterten, weichen Trampelweg zu laufen. Schliesslich erreichten wir die kalten, glasklaren Mineralquellen am südlichen Ende vom Ray Lake Lavastrom. Da der Rundweg auch für Marcus' Geschmack etwas zu lang ausgefallen wäre, nahmen wir den gleichen Weg wieder zurück und genossen die Stille auf dem Heimweg. 

 

17. – 18. August 2009: Clearwater - Jasper

Auf der Fahrt von der Lodge bis zum Parkeingang des Wells Gray Nationalparks hofften wir wiederum auf Bären, diesmal ohne Erfolg. Aber die Bärentour auf dem Blue River stand ja noch auf dem Programm. Ein Schild am Strassenrand machte auf dieses Erlebnis aufmerksam. Hätte ich jedoch den Prospekt nicht gesehen, wären wir bestimmt durch gefahren. So folgten wir jedoch den Wegweisern und gingen kurz darauf an Board eines kleinen Motorbootes, welches zielstrebig ins Bärenland abseits der Zivilisation fuhr. Schon bald sahen wir den ersten Bären. Es war ein kleines Männchen, das sich neugierig unserem Boot bis auf fünf Meter näherte. Als dieser im Wald verschwand, entdeckten wir eine grosse starke Bärin, die im seichten Wasser fischte. Madame Vielfrass, wie ich sie nannte, fand überall etwas Fressbares, sei es im Wasser, in einem ausgehöhlten Baumstamm oder im Gebüsch am Flussufer. Es war schön, die Bären in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. 

Zufrieden nahmen wir unsere Fahrt nach Jasper wieder auf. Kurz vor der Parkgrenze gerieten wir in einen Stau und wunderten uns noch weshalb. Bald wurde klar, dass die Touristen wieder zur Kasse gebeten werden. In Tat und Wahrheit war die hohe Nationalparkgebühr die reinste Abzockerei. Für unseren 7-tägigen Aufenthalt bezahlten wir über CAD 100. Diese unangenehme Erfahrung schrieben wir schnell ab, schliesslich waren wir im Urlaub. Auf dem Weg zur Lobstick Lodge fuhren wir durch das hübsche Städtchen Jasper, das mit sommerbunt zusammen gestellten Blumenrabatten geschmückt war. Jasper weist den Charme eines typischen Bergdorfes auf und eignet sich hervorragend als Ausgangspunkt für Tagesausflüge und Wanderungen in die grandiose Bergwelt ringsum. Im Bahnhof von Jasper stand eine alte, gepflegte, schwarze Lokomotive. Sie ist wohl ein Symbol dafür, dass die einzige Transkanada Eisenbahnverbindung über Jasper führt.

18. August 2009: Jasper

Endlich zeigte sich das Wetter von der besseren Seite, auch wenn wir während des ganzen Urlaubs nie wirklich strahlend blauen Himmel hatten. Da wir, abgesehen von den Ausflügen in Clearwater, bis anhin eher passiv waren, entschieden wir uns zuallererst für eine kurze Wanderung. Der 4 km lange Rundweg „Valley of the Five Lakes“ führte uns vorbei an fünf klaren, bezaubernden Seen mit grün schimmerndem Wasser.

Danach besichtigten wir die Athabasca Falls, eine weitere Sehenswürdigkeit dieser Region. Der Athabasca River stürzt unweit von seiner Quelle im Columbia Icefield 12 m tief in einen kurzen engen Canyon. Auf einem Pfad gelangten wir, durch Geländer geschützt, dicht an die Fälle heran. Es waren imposante Wasserfälle, aber der Ort war auch sehr touristisch und so zogen wir bald weiter auf den Mount Edith Cavell. Wenige 100 Meter neben dem Parkplatz zeugten mächtige Moränen von der Macht der Gletscher. Wir bewunderten den schönen Gletschersee, in dem kleine Eisstücke tummelten. Von dort begann unsere Wanderung, die hoch hinaus zu den Cavell Meadows führte. Auf 1860 Meter über Meer war der Baumbestand nur noch schwach vorhanden, bedingt durch die Kälte des nahen Gletschereises und den Nordhang. Dafür zeigten die bunten Bergwiesen ihre ganze Pracht. Der letzte Aufstieg sah zäh aus und ich verzichtete auf die restlichen 150 Höhenmeter. Während ich oberhalb der Baumgrenze wartete, wanderte Marcus immer weiter nach oben. Plötzlich stand ein leichtfüssiges Karibu vor ihm, welches in luftigen Höhen etwas Linderung vor den lästigen Mücken suchte. Auf dem Gipfel wurde Marcus mit einer fantastischen Aussicht belohnt. In der Zwischenzeit machte ich mich gemütlich auf den Rückweg. Nach 3.5 Stunden kamen wir beide gleichzeitig beim Parkplatz an. Erschöpft von der Anstrengung fuhren wir zurück ins Hotel und liessen uns beim Nachtessen verwöhnen.

19. August 2009: Jasper

An diesem Tag standen hauptsächlich der Maligne Canyon und der Maligne Lake auf dem Programm. Zum Auftakt besichtigten wir jedoch erst noch die beiden grössten Seen, der Patricia Lake und Pyramid Lake, welche nördlich von Jasper liegen. Beim Maligne Canyon legten wir als nächstes einen Stop ein. Der Fluss hat eine aussergewöhnliche spektakuläre, 50 m tiefe Schlucht in den Fels gewaschen. Von mehreren Brücken aus hatten wir einen tollen Blick in die Tiefen. Weiter ging es vorbei an diversen Seen, so auch dem Medicine Lake, der eine geologische Besonderheit ist. Sein Wasser und das des Maligne River verschwindet alljährlich im Herbst in einem Höhlensystem im Untergrund. Erst im 17 km entfernten Maligne Canyon taucht es wieder auf. Dünne Rinnsale durchzogen den ausgetrockneten Seeboden, bis dann das starke Schmelzwasser der Gletscher den See wieder auffüllt.

Wir näherten uns dem eigentlichen Ziel unseres Ausflugs, dem Maligne Lake. Das rot leuchtende Dach des historischen Bootshauses war schon von weitem sichtbar. Wir kauften Tickets für die berühmte Schifffahrt zur Spirit Island, und nutzten die Zeit vor der Abfahrt für einen kurzen Spaziergang entlang des Sees. Um 17.15 Uhr liefen wir mit dem letzten Boot aus dem kleinen Hafen. Wir glitten über das türkisfarbene Wasser, vorbei an dichtem Nadelwald und den silbern leuchtenden Gletschern auf den Schultern der Dreitausender. Der Blick auf Spirit Island, Kanadas beliebtestes Postkarten-Panorama, war der Höhepunkt unserer Bootsfahrt auf dem Maligne Lake. Die einzigartige Stimmung, verstärkt durch das letzte Licht des Tages, war überwältigend! Diese unglaubliche Ruhe ging auf mich über und ich hätte ewig die kleine Insel, das Wasser und die Berge bestaunen können. Leider mussten wir nach einem 15-minütigen Aufenthalt bereits wieder zurück. Müde und mit leeren Bäuchen trafen wir nach 20 Uhr wieder in Jasper ein. 

20. – 21. August 2009: Jasper - Lake Louise

Heute stand die Fahrt auf dem Icefield Parkway an, über den wir schon viel gehört und gelesen hatten. Natürlich waren wir sehr gespannt auf den angeblich schönsten Streckenabschnitt unserer Rundreise. Bis anhin hat sie jedenfalls gehalten, was sie versprochen hat, denn einige Sehenswürdigkeiten besichtigten wir ja bereits an den Vortagen. Die Strasse, die zurecht auch Traumstrasse der Rockies genannt wird, führte entlang milchig-weisser Flüsse, die sich durch die Berglandschaft schlängelten. Ungefähr bei Streckenhalbzeit trafen wir auf das Columbia Icefield. Bereits vom Parkplatz hatten wir einen fantastischen Blick auf den Ausläufer des Athabasca Gletschers. Er hat eine Ausdehnung von 325 km2, ist bis zu 365 m dick und somit das grösste Eisfeld der Rocky Mountains. Ein Weg führte direkt ans Ende der Gletscherzunge, von wo aus wir einen tollen Ausblick auf die Eismasse hatten. Es war erschreckend, in welch kurzer Zeit sich der Schmelzprozess des Gletschers ereignete, zog er sich doch in den letzten 150 Jahren um 1.5 km zurück.

Nach langem Hin und Her entschlossen wir uns schliesslich, an diesem Tag auf die Parker Ridge Trail Wanderung zu verzichten und fuhren weiter zum Peyto Lake. Der See ist tief eingebettet in dunkle subalpine Wälder und ist ein Juwel unter den Bergseen der Rocky Mountains. An diesem Tag war das Sonnenlicht besonders grell, sodass die Fotos blass ausfielen. Trotzdem waren wir begeistert von der türkisfarbenen Leuchtkraft des Wassers. Weiter ging es zum Bow Lake, dessen Anblick mit der Bergkulisse noch schöner war. Das blau-weisse Eis hing in der Bergwand und funkelte wie ein Diamant im Sonnenlicht, während sich die Berge auf der Wasseroberfläche spiegelten. Es war umwerfend! Auch der Lake Hector, in dessen Wasser sich die Umrisse des Mount Temple reflektierten, gehört zurecht zu den schönsten Seen am Parkway. Der Icefield Parkway hielt einen Höhepunkt nach dem anderen bereit. Am liebsten wären wir die Strecke gleich nochmals gefahren. Spät am Abend erreichten wir unser einfaches Hotel Lake Louise Inn, bestellten ein simples Abendessen im hoteleigenen Restaurant und gingen kurz darauf ins Bett. 

21. – 22. August 2009: Lake Louise - Banff

Wir hatten noch nicht genug von den prachtvollen Seen entlang des Icefield Parkway. Deshalb gingen wir bereits um 6 Uhr im Hotel los, fuhren nochmals retour und legten sowohl beim Bow Lake und wie auch beim Peyto Lake einen Stopp ein. Bei anderer Tageszeit und Lichteinstrahlung präsentierten sich die Seen in neuen Farben. 

Auch die spektakuläre Parker Ridge Trail Wanderung, die wir am Vortag ausliessen, holten wir nach. Sie führte uns durch Fichtenwälder und alpine Tundra zu einem Bergkamm mit überwältigendem Ausblick auf den Saskatchewan Glacier. Auf dem Berg wehte ein böiger Wind und die Temperatur war, aufgrund der Nähe des Eisfeldes, niedriger als im Tal. Hinter einer Steinmauer suchten wir vorübergehend Windschutz, bevor wir uns wieder an den Abstieg machten. Die Wanderung hat sich definitiv gelohnt.

Idealerweise wären wir nochmals eine Nacht in Lake Louise geblieben, aber wir hatten die folgenden zwei Nächte in Banff, zirka einer Fahrstunde von Lake Louise, reserviert. Banff ist ein Garmisch in den Rockies und das touristische Epizentrum des gleichnamigen Nationalparks. Doch die Zivilisation endet am Ortsrand.

22. August 2009: Banff

Da wir zwei bedeutende Sehenswürdigkeiten von Lake Louise noch nicht gesehen hatten, ging es am heutigen Tag wiederum 70 km zurück. Es war sehr kühl an diesem Morgen und ich schlotterte am Ufer des Moraine Lake. Aber der Anblick des Sees machte die frostigen Temperaturen mehr als wett. Der Moraine Lake liegt unmittelbar an den Wenkchemna Peaks, deren glatte Flanken und leuchtende Gletscher sich bei Sonneneinstrahlung im tintenblauen Wasser des Sees spiegelten. Anders als die meisten Gletscherseen, die durch Endmoränen aufgestaut werden, wurde der Moraine Lake, entgegen seinem Namen, durch die Barriere eines gewaltigen Felssturzes geschaffen.

Auch das stille Wasser des Lake Louise strahlte eine besondere Ruhe aus und so überrascht es nicht, dass er auch „Smaragd der Rockies“ genannt wird. Der je nach Sonneneinstrahlung dunkelgrün bis leuchtend türkis schimmernde See wird vom Gletscherwasser des Victoria Glacier gespiesen. Mit dem Gletscherwasser werden ständig feine Sedimente mitgeführt, das sogenannte Gletschermehl, das lange Zeit im Seewasser schwebt, bevor es sich am Boden absetzt. Dies bewirkt wiederum, dass die grünen und blauen Farben des Spektrums reflektiert werden. Um der grossen Menschenansammlung auszuweichen, entschieden wir uns für die mehrstündige Wanderung zum Plain of the Six Glaciers, einem Bergplateau mit subalpiner Vegetation und schöner Aussicht auf sechs Gletscher. Immer wieder hörten wir ein lautes Donnern, welches durch Gletscherabbrüche ausgelöst wurde.

Zufrieden fuhren wir zurück nach Banff. Da wir genügend Zeit hatten, entschieden wir uns anstelle der Autobahn für die Nebenstrasse. Während ich ein Nickerchen machte, entdeckte Marcus einen Wapitihirsch am Strassenrand. Innert Sekunden war ich hellwach. Wir parkten unser Auto am Strassenrand und stiegen aus, um einige Fotos von diesem friedlichen Wildtier zu machen. Der Wapitihirsch verursachte, alleine durch seine Anwesenheit, einen riesigen Stau auf der Verbindungsstrasse.

In Banff angekommen, schlenderten wir durch das Örtchen und suchten ein nettes Plätzchen zum Abendessen. Wir fanden ein Steakhouse und liessen den Tag gemütlich ausklingen. 

23. – 24. August 2009: Banff - Calgary

An unserem letzten Tag stoppten wir noch bei den Hoodoos in Banff. Die Sandsteinsäulen sind Meisterwerke der Natur, die in Tausenden von Jahren durch Wind und Wasser geformt wurden. Anschliessend ging es in die Stadt der Cowboys. Nach einer Fahrt durch die weite Prärie erreichten wir Calgary mit seinen Türmen und verglasten Wolkenkratzer. Wir schlenderten durch die Stadt, die zu unserem Erstaunen am Sonntag leer und verlassen war. Es war schwierig, ein vernünftiges Restaurant zu finden, das offen hatte. Wir genossen unseren letzten Ferienabend bevor wir am nächsten Tag die Rückreise in die Schweiz antraten. 

Zurück
Zurück

Wüstenzauber und Eiskristalle