Auf Kussdistanz mit einem wilden Gepard

Während unserem letztjährigen Besuch in der Serengeti hatte ich den Entschluss gefasst, noch einmal in dieses herrliche Naturparadies zurückzukehren – mit mehr Zeit und Muse. Zu schwer ist mir damals der Abschied gefallen. Dass es allerdings gleich im darauffolgenden Jahr sein wird, damit habe selbst ich nicht gerechnet. 

Afrika ist für mich der Kontinent der Sehnsucht – hier kann ich in eine Welt voller Abenteuer, Entdeckungen und Naturerlebnisse eintauchen. Die Vielfalt der Landschaft, die Tier- und Pflanzenwelt, die herzlichen Menschen und die unendlich scheinende Weite machen jede Afrika-Reise unvergesslich und faszinieren mich jedes Mal aufs Neue. 

Auf dieser Reise beschränkten wir uns auf zwei Camps in zwei Nationalparks, die wir schon im Vorjahr besucht hatten. Einerseits minimierten wir damit die Transferzeiten zugunsten von Pirschfahrten. Die Massai Mara und die Serengeti bieten in Bezug auf Tierbeobachtungen ja wirklich alles, was das Herz begehrt, so dass auf einen häufigen Wechsel der Unterkünfte problemlos verzichtet werden kann. Und andererseits wollten wir auf den Luxus eines Privat Guides nicht mehr verzichten, was uns in den Serian Camps ohne Aufpreis geboten wurde.

Wochenlang fieberte ich auf diese Reise hin und ich war gespannt, von welcher Seite sich die Serengeti und die Massai Mara diesmal zeigen würden. Zwei Wochen vor Abflug änderte ich dank Mailkontakten mit dem Guide und der Camp Managerin die Unterkunft in der Massai Mara, denn die Tierbeobachtungen wurden für das Serian Main Camp besser erwartet als im Serian Lamai. Unser Abenteuer konnte beginnen.

Sonntag, 14. September 2014: Zürich – Nairobi 

Es ist ein herrliches Gefühl, morgens aufzuwachen und zu wissen, dass der Urlaub beginnt. Mein Vater holte uns wie immer Zuhause ab und brachte uns zum Flughafen. In Anbetracht der politischen Unruhen in Kenia und wegen Ebola war mein Vater diesmal sehr besorgt um uns. Seine Bedenken und Angst machten uns nervös und unsicher, aber so kurz vor Abflug war es definitiv zu spät für eine Annullation. Wir versuchten diese Gefühle wieder abzulegen und lenkten uns mit Einkaufen im Duty Free Store ab. Aufgrund der langen Warteschlangen vor den Kassen kamen wir allerdings in Zeitnot. Endlich waren wir an der Reihe. Nach der Bezahlung rannten wir zur Skymetro, die uns ins Dock E brachte, und anschliessend zum Gate. Natürlich war „unser“ Gate ganz am Ende des Flurs, so dass wir völlig verschwitzt das Flugzeug betraten. Der Flug war entgegen meinen Erwartungen beinahe ausgebucht und ich war froh, meinen Sitzplatz am Vorabend nicht noch in eine 4er Reihe umgebucht zu haben. Bis alle Passagiere ihre Sitzplätze eingenommen hatten und die Türen geschlossen wurden, starrte ich in den LCD-Monitor ein paar Reihen vor mir und las die Uhrzeit sowie die Distanz zum Zielflughafen. 6066 Kilometer liegen vor uns. Afrika, wir kommen!

So aufgeregt vor einer Afrikareise waren wir schon lange nicht mehr. Einerseits freuten wir uns riesig auf den bevorstehenden Urlaub, andererseits bedrückte uns aber auch die erste Übernachtung in Nairobi. Das EDA warnte vor Terroranschlägen in den Küstenregionen und in Teilen von Nairobi. Unser Hotel befand sich gemäss Auskunft des Reisebüros in einem unkritischen Stadtteil. Ich versuchte mir einzureden, dass alles gut gehen würde. Aber die Tatsache, dass wir erst bei Dunkelheit das Flughafengebäude verlassen und ins Hotel fahren würden, machte mich ziemlich nervös. Die acht Stunden Flugzeiten verbrachten wir mit Spielen, Film schauen und Schlafen. Um 18.00 Uhr setzte unsere Maschine endlich auf kenianischem Boden auf. Die Passkontrolle brachten wir schnell hinter uns, die Gepäckausgabe hingegen ging weniger flott über die Bühne. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Immer wieder ertönte eine laute Störwarnung, das Band wurde vorübergehend abgeschaltet und von unserem Gepäck war weit und breit nichts zu sehen. Die Untätigkeit bei gleichzeitig zunehmender Dunkelheit draussen machte mich wahnsinnig. Nach einer halben Stunde spuckte endlich ein anderes Förderband unsere Reisetaschen aus. Wir verliessen den Sicherheitsbereich und wurden beim Ausgang völlig überrumpelt von zig hunderten Chauffeuren mit Namensschildern. So etwas habe ich noch nie gesehen! Ich wusste nicht, wohin ich schauen sollte und sah sprichwörtlich vor lauter Bäume den Wald nicht mehr. Marcus entdeckte im Getümmel schnell unsere Namen auf einem Schild und steuerte auf den Mann von Asilia Safari zu. In einem weissen Van mit getönten Scheiben wurden wir ins Stadtzentrum gefahren. Die Strassen waren am Sonntagabend glücklicherweise ziemlich leer. Im Stadtzentrum bog der Chauffeur in eine dunkle schmale Gasse ein. Marcus und ich schauten uns mit fragenden Blicken an. Doch ehe wir auf falsche Gedanken kommen konnten, bogen wir wieder in eine normal beleuchtete Strasse ein und erreichten anschliessend die Hoteleinfahrt. Beim Eingang stand ein Wächter, der Anzahl Personen sowie den Gepäckraum überprüfte bevor er uns passieren liess. Auch der hoteleigene Parkplatz war durch einen Sicherheitszaun vom Hotel getrennt. Unser Gepäck wurde wie am Flughafen geröntgt. Marcus und ich kamen ohne Durchleuchtung davon und wurden gegen Vorweisung der Reservationspapiere zum Hotel vorgelassen. In dieser Hochburg fühlten wir uns sicher. Hier kriegten wir nichts mit vom heissen, staubigen, schmutzigen, stinkenden Nairobi, vom Nairobi der Armut. Und das war gut so!

Obwohl die Restaurants innerhalb des Hotels sehr verlockend aussahen, begnügten wir uns mit unseren Sandwiches, die wir tagsüber nicht gegessen hatten und nicht weg schmeissen wollten. Nachdem wir per SMS noch ein Lebenszeichen in die Schweiz geschickt hatten, um unsere Eltern zu beruhigen, spürten auch wir die Anspannung langsam abfallen. Der Start war geschafft.

 

Montag, 15. September 2014: Nairobi – Massai Mara (Serian Nkorombo)

Unseren ersten Ferientag starteten wir mit einem üppigen Frühstück vom Buffet. Danach holte uns unser Chauffeur wieder ab und brachte uns zum Wilson Domestic Airport. Auf der Fahrt zum Flughafen wurde uns die nicht ganz ungefährliche Fahrweise der Kenianer bewusst. Karibu Kenia – Willkommen Kenia! Die Strassen am Montagmorgen waren völlig verstopft, es war ein Gedränge und Gehupe, auf der Kreuzung standen die Autos kreuz und quer fünf- und sechsspurig und wer die Strasse als Fussgänger zu überqueren versuchte, war beinahe lebensmüde. Staub, Sand und Abgas lagen in der Luft. Nach 30 Minuten erreichten wir den lokalen Flughafen, welcher sich in grossem Kontrast zu den Strassen Nairobis präsentierte. Wir betraten das blitz saubere und (noch) menschenleere Flughafengebäude. Nach der Röntgenaufnahme von Mensch und Gepäck wurden unsere Taschen gewogen. Mit 57kg inkl. Handgepäck anstatt der erlaubten 30kg wurden wir als „the guys with the 57 kilos“ abgestempelt. Es kam zu langen Diskussionen. Das Bodenpersonal verlangte, dass wir einen Teil unseres Gepäcks in Nairobi deponierten. Das stand aber für mich ausser Frage, denn ich zweifelte am jemaligen Wiedersehen. Zudem hätte ich nicht gewusst, was ich zurücklassen sollte. Unsere Fotoausrüstung schlug mit knapp 20kg zu Buche, und davon liessen wir ganz bestimmt nichts zurück. Auch die nächsten Passagiere brachten allesamt zu viel Gewicht auf die Waage, was bei einem Limit von 30kg inkl. Handgepäck für 2 Personen aber auch nicht überrascht. Meiner Meinung nach war das eine reine Schikane respektive Geldmacherei. Wir wurden ins Office gebeten. Nach langen Diskussionen und etlicher unterschiedlichen Auskünften mussten wir schliesslich USD 122 Übergewicht für zwei Flüge bezahlen. Bis zum Schluss wollten sie uns einen Kindersitz verkaufen mit der Ausrede, dass unser Gepäck dann garantiert mitkommt, was bei Fracht nicht immer der Fall wäre. Ich wusste allerdings, dass im Busch kein Hahn mehr danach schreien würde und bezahlte deshalb die günstigere (aber immer noch teure) Variante. Bis zum Schluss wurde behauptet, dass es lediglich um unsere Sicherheit gehen würde. Einfach lächerlich! Auch die weiteren Passagiere wurden allesamt zur Kasse gebeten. Na, wenn das kein Business Case ist!?

Mit einer Dash 8 ging es dann endlich in die Massai Mara. Aus der Vogelperspektive erhielten wir einen Eindruck von der enormen Weite und Ausdehnung des Landes. Nach dem 1-stündigen Flug erreichten wir endlich Musiara, der Flugplatz in der Massai Mara. James erkannte mich sofort wieder und begrüsste uns freundlich. Ich hatte den Flugplatz nicht so gross in Erinnerung. Das lag aber vielleicht auch an der regen Betriebsamkeit an diesem Tag. James besorgte bei einer kleinen Hütte unsere Nationalpark Tickets. Dann ging es los Richtung Camp. Ein wohliger Schauer der Vertrautheit und Freude lief mir den Rücken herunter, darüber wieder dort zu sein, wo ich am liebsten bin. Es sind diese kleinen Momente, auf die ich mich das ganze Jahr freue. Keine 10 Minuten Fahrzeit neben der Flugpiste entdeckten wir eine Hyäne in der Hitze. Kurz darauf erkannten wir eine weitere Bewegung. Drei kleine Hyänenbabys tappten unter Mutters Bauch herum. Sie waren noch sehr klein und ihr Fell dunkelbraun. Die Kleinen waren sehr scheu, aber es gelangen uns trotzdem einige Fotos von den Fellknäueln, die in ihrem zarten Alter noch ganz entzückend aussahen. Die Mutter war der Sonne vollkommen ausgesetzt. Sie tropfte aus dem Mund und scharrte im kühlen Boden für eine kleine Abkühlung. In wenigen Metern Abstand zogen grosse Gnuherden vorbei, ohne dem Raubtier auch nur eine Sekunde Beachtung zu schenken.

Meine volle Blase gab schliesslich Anlass zum Weiterziehen. Zebras, Warzenschweine und Topis kreuzten unseren weiteren Weg. Aufregung kam allerdings erst bei der Sichtung eines Löwenrudels auf. Das Männchen mit stattlicher Mähne stützte seinen Kopf in der Astgabel eines Strauches auf, welche ihm ein künstliches Lächeln im Schlaf aufsetzte. Es war ein Bild für die Götter. Leider versperrten Äste die freie Sicht, so dass die Fotos zu wünschen übrig liessen. Der Rest des Rudels, drei Weibchen und neun Jungtiere, döste etwas abseits des Familienoberhaupts unter einem grossen schattenspendenden Baum. Die Jungmannschaft blieb nicht lange untätig. Bald schon machten sie das, was Kinder einfach am liebsten tun: sie spielten, tollten umher, balgten sich vergnügt auf der Wiese und versuchten erfolglos ihre dösende Mutter und Verwandten zum Mitmachen zu animieren. Die Zeit verging wie im Fluge und es war wunderschön, inmitten dieser Wildnis - abseits der Wege und ohne Anzeichen von Zivilisation - diese faszinierenden Tiere zu beobachten. 

Wir verbrachten den ganzen Nachmittag bei den Löwen. Am Abend erreichten wir das Camp, wo wir von der Managerin Tanya herzlich begrüsst wurden. Wir wurden ins äusserste Zelt Nummer 6 einquartiert, von welchem wir einen schönen Blick auf den Mara Fluss geniessen konnten. Wir waren die einzigen Gäste an diesem Abend und konnten uns deshalb ans Werk meines gewünschten Fotos machen. Wir stellten unser Stativ inklusive Kamera auf dem „Parkplatz“ vor dem Camp auf. Der Baum mit der wunderschönen Baumkrone bildete den perfekten Vordergrund zum Sternenhimmel. Tanya liess im Hauptzelt alle Lichter löschen. Während wir gemütlich bei Kerzenlicht unser Abendessen unter freiem Himmel genossen, arbeitete unsere Kamera im Hintergrund. Unsere Ausrüstung wurde von einem Massai während der ganzen Zeit bewacht, damit weder Tier noch Wind unser Stativ umwerfen konnte. Ich hatte Erbarmen mit dem Wächter, der drei Stunden lang in der Dunkelheit wie angewurzelt stehen musste, war aber trotzdem sehr dankbar für seinen Einsatz. Es war unser erstes Star Trail Foto, das nicht schlecht herausgekommen ist, aber sicher noch verbesserungswürdig ist. Wir hofften auf weitere sternenklare Nächte, um unsere Technik zu verfeinern. Um 22.00 Uhr fielen wir erschöpft und überwältigt ins Bett. Kurz vor dem Einschlafen hörte ich das typische Schnaufen eines Flusspferds. Obwohl es ganz in der Nähe unseres Zeltes zu sein schien, fühlte ich mich völlig sicher und freute mich, wieder zurück im afrikanischen Busch zu sein.

Dienstag, 16. September 2014: Massai Mara (Serian Nkorombo)

Wie immer auf Safaris verliessen wir das Camp so früh wie möglich. Die offizielle Park Öffnungszeit war zwar erst um 6.30 Uhr, aber das Camp entliess die Gäste auf Wunsch bereits eine halbe Stunde früher. Davon machten wir natürlich Gebrauch. Wir suchten das Löwenrudel vom Vortag. Nach einer Stunde trafen wir auf das Löwen Männchen, welches sich von den ersten Sonnenstrahlen aufwärmen liess. Seine Mähne schien golden im Licht der aufgehenden Sonne. Der Löwe hatte eine prächtige Mähne, doch seine Frisur (à la Gilbert Gress) war definitiv aus der Mode gekommen. Sein Gesicht war gezeichnet von einigen kleineren Verletzungen, die langsam verheilten, ihn aber nicht weiter zu stören schienen. 

Dann stiessen wir auf die erste grössere Gnuherde und in einiger Entfernung, in der Nähe des Mara Flusses ruhten weitere Herden. Die Chancen standen gut, dass sich die beiden Gruppen zu einer grossen Herde vereinen würden. Wir hielten Abstand zu den Tieren und beobachteten das Geschehen aus der Distanz. Die eine Gruppe wanderte zum Ufer hinunter, doch an dieser Stelle konnten sie den Fluss nicht passieren. Als die ersten Tiere muhend wieder zurück galoppierten, weckten sie die Aufmerksamkeit der zweiten Gruppe. Die Tiere vereinten sich schliesslich zu einer riesigen Herde. Die Gnus traten ihren Treck nach Süden an. 

Wir nutzten die Zeit, um zur Übergangsstelle vorzufahren. „Kaburu“, was soviel wie Sackgasse bedeutet, wird diese Position genannt, da dort offenbar besonders viele Tiere aufgrund des steinigen Ausstiegs verenden. In dieser engen Sackgasse waren auch gute Plätze für Beobachter Mangelware. Nichts gegen einen kleinen Verkehrsstau in unseren Gefilden, doch die Anzahl der Fahrzeuge an dieser Übergangsstelle war haarsträubend. James war sehr vorsichtig in seiner Platzwahl, denn er wollte unter keinen Umständen den Tieren den Weg abschneiden. Leider waren nicht alle Guides so rücksichtsvoll. Wir wurden sogar noch von einem anderen Fahrzeug gerammt, als dieser versuchte, an uns vorbei zu ziehen. Unglaublich! Obwohl ich mich an der Situation störte, wollte ich mein erstes River Crossing in der Massai Mara nicht entgehen lassen. Den Gedanken an die Fahrzeuge liess ich schnell hinter mir, als mein Adrenalin vor Aufregung in die Blutbahnen schoss. Lautes Getrampel und Blöken der Huftiere war zu hören. Zuerst sahen wir nur eine dichte Staubwolke über den Sträuchern aufsteigen, dann aber konnten wir die Weissbartgnus mit dem so plump wirkenden Körper, der wehenden Mähne, dem Büffelgehörn und dem Eselsschwanz sehen. Sie galoppierten auf die Uferböschung zu. Dann war plötzlich Totenstille, die Gnus waren mittlerweile hinter dem Gebüsch wieder aus unserem Blickfeld verschwunden. Plötzlich, aus einem für uns unerklärlichen Grund, schreckten sie auf. Staub wirbelte wieder auf und verdeckte die in Panik davon stürmenden Tiere. Von ihrem Instinkt angetrieben, kehrten sie nach einer Weile zurück und galoppierten in unendlichen Reihen auf die Furt im Fluss zu. Dann ging alles ganz schnell. Ein mutiges Tier sprang in den Fluss. Es folgten ihm sogleich hunderte Artgenossen. Es begann ein Wettlauf, der für einige mit dem Tod endete. Die Strömung war reissend und am anderen Ufer erwartete die Geschöpfe eine sehr steinige, schlüpfrige Böschung, die einiges an Kraft und Geschick zum Erklimmen der Todeszone erforderte. Nun wurde ihnen der Schutz der Menge zum Verhängnis. Am diesseitigen Ufer staute sich die Masse, die Tiere keilten sich ineinander. Der Moment der Krokodile war gekommen. In Sekundenbruchteilen tauchten sie aus dem Wasser auf und schnappten sich hier und dort ein Opfer. Als hätte es nicht genug Futter, wollte ein grosses Krokodil seinem Artgenossen die Beute streitig machen. Mit dem ganzen Körpergewicht versuchte es seinen Artgenossen herunter zu drücken und ihm dabei die Beute zu entwenden. Die Flussdurchquerung kam in Anbetracht der Streithähne vorübergehend ins Stocken. Bald schon fanden die Wanderer einen anderen Einstieg ein paar Meter flussabwärts. Unsere Position war nun nicht mehr ideal. Wir machten uns auf die Suche nach einem neuen Platz, allerdings waren alle Nischen schon besetzt, so dass wir das Spektakel nur noch aus zweiter Reihe beobachten konnten. Wieder schwamm ein grosses Krokodil auf ein Gnu zu und packte es am Leib. Das Gnu kämpfte sich in seichtes Wasser Richtung Ufer, fast schien das Tier gerettet zu sein. Dann aber verliessen das Gnu die Kräfte. Ein letztes Aufbäumen, bevor beide Tiere lautlos im tiefen Wasser verschwanden und nicht wieder auftauchten.

Nach 1½ Stunden ebbte der Strom der ins Wasser springenden Tiere langsam ab. Dem Beobachter präsentierte sich ein Schauspiel von unglaublicher Intensität und Brutalität. Das Naturgesetz «Fressen und gefressen werden» erhielt dabei ein reales Gesicht. Auch das Tosen der unzähligen Hufe klingt mir heute noch in den Ohren.

Unsere Mägen knurrten um die Wette – das ausgefallene Frühstück machte sich lautstark bemerkbar. Auf der Suche nach einem geeigneten Platz für unser Mittagessen entdeckten wir noch faule Hippos auf einer Sandbank sowie Löwen auf grossen Kopjes, wobei wir nur eine Löwin wirklich gut ablichten konnten. Endlich legten wir unter dem weit und breit einzigen Baum eine Pause ein. James und sein Assistent deckten für uns einen kleinen Tisch mit weisser Tischdecke. Das Mittagessen wurde als Buffet auf der Heckklappe des Jeeps aufgestellt. 

Am Nachmittag setzten wir unsere Pirschfahrt in der brütenden Hitze fort. Trotzdem liessen wir wegen dem Fotografieren das Dach weiterhin offen. James entdeckte eine Servalkatze. Sofort folgten wir ihr. Wie wir es von Hauskatzen kennen, sprang das Raubtier in die Luft, den Fokus immer auf die Beute gerichtet und schlug dann blitzschnell zu. Es war brutal zu sehen, wie die Maus noch eine kurze Zeit im Maul der Servalkatze zappelte. Aber auch das ist Natur. Die Maus war innert Minuten verspiesen, dann zog die Katze weiter. Uns gelangen ein paar wirklich tolle Aufnahmen von dieser Szene. Kaum war die Servalkatze verschwunden, sahen wir dank anderen Safarifahrzeugen einen Gepard. Dieser führte uns ziemlich an der Nase herum, so dass wir schlussendlich seine erfolgreiche Jagd auf einen Hasen haarscharf verpassten. 

Die Wolken am Himmel über uns wurden dunkler und es begann zu regnen. Vor uns breitete sich ein weites Tal aus, in dem einzelne grüne Bäume standen. So machte die Mara ihrem Namen alle Ehre (“Mara” bedeutet “gesprenkelt” oder “getupft”). Zum krönenden Abschluss des Tages kreuzten wir noch einmal den Weg des Löwenrudels mit ihren verspielten Löwenkindern. Jagd- und Kampfspielsequenzen waren heute hoch im Kurs. Sie hauten sich gegenseitig auf den Kopf, rollten sich auf den Rücken oder schlugen mit der Pfote nach dem Schwanz der Geschwister. Wie immer war es ganz wundervoll, spielende Löwen zu beobachten, die kraftvollen, eleganten Bewegungen und das spielerisch-liebevolle Kräftemessen zu verfolgen.

Mittwoch, 17. September 2014: Massai Mara (Serian Nkorombo)

Wie immer ging es um 6:00 Uhr los, mitten hinein in einen wunderschönen, afrikanischen Sonnenaufgang. Ich war jeden Tag aufs Neue begeistert von der Weite der kenianischen Landschaft - ein bis zum Horizont unverstellter Blick ist daheim im Alltag doch eher selten und ich genoss immer wieder die Aussicht. 

In den frühen Morgenstunden suchten wir „unser“ Löwenrudel in der Hoffnung, dass diese noch aktiv waren. Niemand konnte die Raubtiere besser aufspüren als James. Er ist eine Wildnis-Wikipedia auf zwei Beinen - er hat mehrere Jahre Kenias Nationalpark auf dem Buckel und sieht, hört und riecht alles. Zusätzlich brilliert er auch noch mit einem sehr umfangreichen Fachwissen. Nach 33 Minuten erspähte James eine Silhouette am Horizont. Als wir näherkamen, sahen auch wir das Rudel. Sie hatten in der Nacht ein Gnu gerissen. Die Jungen vertrieben sich die Zeit mit spielerischer Rauferei. Dabei gingen sie nicht zimperlich miteinander um. Sie schlichen sich an, sprangen aufeinander, fuhren ihre Krallen aus und bissen einander in den Nacken und in die Schwanzspitze. Sogar die Erwachsenen mischten im Spiel mit. Spielenden Löwen zuzusehen war einmal mehr wunderschön. Sie sind wie Hauskatzen, nur etwas grösser. Um 7:15 Uhr war bei den Löwen dann allerdings „game over“.

Wir zogen weiter vorbei an Impalas, Zebras, Topis und Warzenschweine. Auf besonders flachem Terrain stiessen wir auf eine Hyäne, die an den Überresten eines Impalabocks zerrte. Sie war misstrauisch uns gegenüber, so dass wir sie nach einem kurzen Fotostopp in Frieden fressen liessen. Wir fuhren weiter und umrundeten den Leopard Hill, auf dem eine Leopardin mit ihrem Jungtier wohnte. Mit beinahe schon hypnotisierenden Blicken versuchten wir im Gestrüpp die noch so kleinste Bewegung auszumachen. Wir hatten kein Glück und fuhren weiter in die Ebene hinunter, wo schon mehrere Fahrzeuge standen. Löwen waren Grund für den Verkehr – zwei besonders stattliche Exemplare mit wunderbar dicht und kräftig brauner Mähne. In der Nachhut der Anführer folgte das Rudel mit Weibchen und Teenagern. Es war den Löwen viel zu heiss in der brütenden Sonne. Einer nach dem anderen setzte seinen Marsch fort, nicht ohne hie und da wieder eine Verschnaufpause einzulegen. Obwohl die letzte Trennung der beiden Anführer nur Minuten zurück lag, ging der eine Löwe zu seinem Freund und begrüsste ihn ausgiebig. Dann liess er sich neben ihn auf den Boden plumpsen und kuschelte sich regelrecht an seinen Kumpel heran. Es war ein wirklich prächtiger Anblick. Erhaben marschierten sie anschliessend weiter über die Pfanne, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Auch die Impalaherde in unmittelbarer Nähe weckte keine Jagdinstinkte. Energie sparen war wohl gerade angesagt und Kräfte sammeln für die Jagd zu einer weniger hitzigen Tageszeit. Die Männchen waren wirklich zwei Prachtexemplare, die für jedes Denkmal hätten Modell stehen können. Nachdem wir schon mehrere Hundert Fotos im Kasten hatten, zogen wir weiter. James fuhr in einen weniger frequentierten Teil der Massai Mara, wo wir keiner Menschenseele begegneten. Es war herrlich. Während wir unser Frühstück genossen, erspähte James einen Gepard. Als wir nach einer Weile gestärkt bei der Raubkatze eintrafen, hatte diese in der Zwischenzeit eine Antilope gerissen. Die Geier hatten vom Geschehen ebenfalls Wind gekriegt. Einer nach dem anderen landete beim Termitenhügel, nur wenige Meter neben dem Tatort. Wie die Vögel mussten auch wir in der Hitze ausharren. Der Gepard war erschöpft und musste immer wieder eine Pause einlegen. Die Geier warteten im Hintergrund auf ihren Moment. In geschlossenen Reihen hüpften sie immer wieder ein paar Zentimeter nach vorne und machten etwas Boden gut, bis es dem Gepard zu eng wurde und dieser einen Scheinangriff startete. Mit wildem Flügelschlag retteten sich die Aasfresser in Sicherheit. Dann ging das Spiel wieder von vorne los. Je runder der Gepard wurde, desto weniger energisch verteidigte er seine Beute. Für die Geier war die Gunst der Stunde gekommen. Die gierigen Viecher starteten einen letzten Angriff. Der Gepard ging zum Gegenangriff über, bekam jedoch beim Anblick der nicht weichenden Geier kalte Füsse und überliess ihnen schliesslich das Feld. Wie die Geier stürzten sie sich auf den Kadaver, ausser Flügel und Federn war nichts mehr darunter zu erkennen. Die Marabus gingen etwas gesitteter vor und warteten geduldig im Hintergrund. Ein paar Geier zogen sich mit blutroten Köpfen aus dem Schlachtfeld zurück. Auch wir verliessen diesen Ort schliesslich und folgten dem Gepard, der sich langsam in den Schatten verzog. Er hechelte stark, sein Maul war noch blutverschmiert und sein Bauch kugelrund. Action war nicht mehr zu erwarten, deswegen zogen wir weiter. Unser Weg kreuzte sich mit einer friedlichen Elefantenherde, dann entdeckten wir eine wenige Stunden alte Thomson Gazelle und viele Topis, aber auch Krokodile konnten wir in der Ufergegend immer wieder ausmachen. Wir entfernten uns immer mehr vom Camp, fuhren durch eine riesige Büffelherde hindurch, und trafen schliesslich auf Teile des Marsh Pride. Die Löwen brachten sich in Stellung und versuchten sich vorsichtig an die vorbeiziehenden Gnus heranzuschleichen. Doch die Vegetation bot keinerlei Deckung und so flogen die Löwen innert Kürze auf. Wir traten die Rückfahrt an, wobei sich der Himmel immer mehr verdunkelte. Noch sei kein Grund, das Dach zu schliessen, meinte James. Wir fuhren durch die grosse Gnuherde hindurch immer weiter. Die Landschaft war flach und die Vegetation karg, dennoch war es ein wunderbarer Anblick. In der Zwischenzeit blies uns ein starker Wind um die Ohren und es wurde empfindlich kalt. Ich traute dem Wetter nicht mehr, doch noch fuhr James unbesorgt weiter. Dann brachte er das Fahrzeug zum Stehen. Es war Zeit, die Fotokameras zu verstauen und das Dach zu schliessen. Just als wir wieder startbereit waren, fielen die ersten Regentropfen mit einem dumpfen „plopp“ auf unser Dach. Dann öffnete Petrus die Schleusen und der Regen prasselte sintflutartig nieder. Nach wenigen Minuten stand das ganze Terrain unter Wasser. Die Pisten waren schon lange nicht mehr sichtbar und in den Gräben bildeten sich Bäche und kleine Flüsse. Es ist unglaublich, wie schnell das in Afrika gehen kann. Das Wasser tropfte mittlerweile durch alle Ritzen ins Innere des Fahrzeugs. Wir mussten unsere Pirschfahrt vorzeitig abbrechen (17:00 Uhr). Tanya erwartete uns im Camp mit Regenschirmen. Sie brachte uns aber zusätzlich noch Gummistiefel, denn auch rund um das Camp sammelte sich das Wasser auf dem Boden zentimetertief. Die wenigen Meter vom Jeep bis zum Zeltdach reichten aus und wir waren bis auf die Haut nass. Dankbar nahmen wir den warmen Tee entgegen, bevor wir uns unter der kurzen aber angenehm warmen Dusche aufwärmten. 

Als wir drei Stunden später zum Abendessen ins Hauptzelt gingen, regnete es noch immer. Aus unseren gewünschten Sternenfotos wurde infolge Regen respektive Bewölkung auf dem Rest der Reise nichts mehr. Gut, dass wir die Chance am Vorabend genutzt hatten. 

Neue Gäste aus England waren im Camp angekommen. Sie waren ebenfalls ambitionierte Fotografen und so hatten wir schnell ein gemeinsames Thema gefunden. Sich mit Wein bettschwer zu trinken, war nicht nötig. Schnell verschwanden alle im Zelt, glücklich, müde und irgendwie geborgen in den Armen einer fremden Natur. 

Donnerstag, 18. September 2014: Massai Mara (Serian Nkorombo)

Um 06:00 Uhr zog es uns wieder hinaus in die Wildnis. Wir rumpelten über ausgewaschene Wege durch eine kalte Morgenluft. Wie schon an den Vortagen suchten wir im Morgengrauen als erstes das Löwenrudel. Nach rund 20 Minuten waren wir fündig. Sogar das Familienoberhaupt war mit von der Partie. Am aktivsten waren wie immer die Kleinen, die unter den wachsamen Augen und nie zu weit entfernt von ihren Müttern die Umgebung erkundeten. Voller Neugier auf das Leben und die Welt spielten sie mit Büschen, lagen wie in einem Liegestuhl zwischen den Ästen und inspizierten alles, was sie unter ihre kleinen Pfoten kriegen konnten. Mit zunehmender Wärme verzogen sich die Löwen leider nach unserem Geschmack viel zu früh in den Schatten. 

Wir liessen die Katzen zurück und fuhren gemächlich zum Mara Fluss, vorbei an einer friedlichen Elefantenherde und Hippos, die sich bereits auf der Sandbank sonnten. An der Übergangsstelle Kaburu wartete das englische Paar schon seit den frühen Morgenstunden auf eine Flussüberquerung, die sie unbedingt sehen wollten. Die Gnus liessen sich jedoch noch Zeit. Deshalb fuhren wir die schmale Einbahnstrasse wieder zurück und entdeckten am Waldrand ein weiteres Löwenrudel mit zwei Erwachsenen und sechs kleinen Wonneproppen. Diese spielten um 9 Uhr noch ganz entzückend. Dabei drehte sich alles um Anschleichen und Überfallen und die Löwen waren stets die Gewinner. Sie kümmerten sich auch um die wahrlich grossen Herausforderungen im Leben, z.B. sich auf Mamas Rücken zum König der Löwen aufzuschwingen, auch wenn dieses Gefühl nur für einen kurzen Moment anhielt. Mit stoischer Ruhe ertrug die erfahrene Mutter die spielerischen Attacken ihres Nachwuchses. Endlich hatten wir tolle Löwenfotos bei Tageslicht im Kasten. 

Via Funk erhielten wir die Durchsage, dass die Gnus zur Übergangsstelle angaloppiert kamen. Wir verliessen die Löwenfamilie Hals über Kopf und rasten zurück zum Wasser. Einige Gnus waren beim engen Durchgang zum Fluss bereits durch, als ein Junglöwe aus dem Gebüsch stürmte und einen halbherzigen Jagdversuch unternahm. Die Gnus erschraken und preschten zurück. Nun war die Herde in zwei geteilt. Kurz darauf rannten auch die anderen Tiere wieder zurück. Der Löwe stand da, wie bestellt und nicht abgeholt. Er hatte keine Chance. Vorbei waren damit auch unsere Chancen auf die Beobachtung einer weiteren Flussdurchquerung. Wir zogen weiter, blieben jedoch in Funkkontakt mit dem zweiten Auto vom Camp. Leider hatte sich in der Zwischenzeit auch die Löwenfamilie ins Dickicht zurückgezogen. Rückblickend wäre ich lieber bei den Katzen geblieben, als den Gnus hinterher gejagt, aber im Nachhinein ist man immer schlauer.  

James fuhr zum Talek Fluss, wo wir auf eine grosse Gruppe Hippos trafen. Jungtiere und die bis zu 2000kg schweren Alten hingen gähnend, grunzend, prustend und pupsend im trüben Wasser des Mara herum. Es war alles versammelt - gross und klein, tot und lebendig. Denn mitten im Fluss schwamm ein totes, mit Wasser gefülltes Hippo auf dem Rücken. Wahrscheinlich starb es altershalber. Vorbei an einer kleinen Elandherde fuhren wir in einem grossen Bogen zurück zum Mara Fluss, wo sich eine andere Gnuherde auf unserer Flussseite versammelte. Es war kurz nach Mittag. Während normalerweise die meisten Touristen um diese Tageszeit eine Siesta im Camp genossen, kamen heute immer mehr Autos zum Fluss. Es hatte sich herumgesprochen, dass ein "crossing" bevorstand. Bald waren es mehrere Dutzend Autos. Kein erfreulicher Anblick. Doch wenn wir Bilder machen wollten, mussten wir ausharren. Da unklar war, wo die Gnus genau den Fluss überqueren würden, mussten wir pokern, ob wir uns lieber rechts oder links von der zugeparkten Uferstelle einreihen wollten. Wir entschieden uns für Letzteres und warteten. Doch wie so oft änderten die Tiere plötzlich ihre Meinung und zogen nach rechts. Unser Fahrer und Assistent von James war in ein Gespräch vertieft und kümmerte sich nicht um die neue Sachlage. Hätten wir ihn nicht unterbrochen, so würde er wohl noch heute an dieser Stelle stehen. Unglaublich, wir konnten es nicht fassen. Gerade noch rechtzeitig setzte er das Auto in Bewegung. Er war generell nicht der Schnellste und beinahe hätte es uns eine gute Position gekostet. Aber es ging nochmals alles gut. Die ersten Tiere tasteten sich mittlerweile die Uferböschung hinab. Auch wenn das Wasser nicht besonders tief war, so war diese Übergangsstelle dennoch heimtückisch wegen des schnellströmenden Wassers und der lauernden Krokodile. Voller Mut sprang das erste Gnu schliesslich in die Fluten, gefolgt von Hunderten von Artgenossen. Auch die Krokodile hatten sich auf das kommende Festmahl vorbereitet. Sie hatten die Herde bereits sehnsüchtig erwartet und griffen sich lautlos ein Opfer nach dem anderen, zogen es unter Wasser und beendeten seine mühevolle Reise. Mit der Beute im Maul tauchten sie nach einiger Zeit wieder auf. Schliesslich trieben sie ab und bald schon verschwanden sie aus unserem Blickfeld. Auch wenn es hier zu einigen Verlusten im Bestand kam, so hatten doch die meisten das rettende Ufer erreicht, wo sie wie eine demoralisierte Karawane tropfnass und mit hängenden Köpfen hinaus in die Savanne trotteten. Und wir? Wir erlebten einmal mehr die grösste Tierwanderung der Welt hautnah vor der beeindruckenden Kulisse des Mara.

Endlich war Essenszeit – die Uhr zeigte mittlerweile schon 14:30. Wir zogen uns vom Flussufer zurück und kreuzten dabei einige Nachzügler (Gnus), die zum Fluss hinunter galoppierten. Auf unserem Menüplan standen Maisfladen (ähnlich wie Fajitas) mit gebratenen Gemüsestreifen und Fleisch. Es war das gleiche Essen, das Marcus vor einem Jahr schon nicht gut bekam. Ich hoffte, dass er es diesmal besser vertragen würde, lecker war es nämlich. Auf der Rückfahrt kamen wir an einer Hyäne und einem Gepard vorbei und als wäre es bereits eine Selbstverständlichkeit, verbrachten wir die letzten Minuten unserer Pirschfahrt mit "unserem" Löwenrudel.  

Zurück im Camp fühlte sich Marcus nicht gut. Er war erschöpft und müde. Deshalb zogen wir uns nach dem Essen schnell auf’s Zelt zurück. In der Nacht hatte Marcus dann ein Déjà-vu – Lebensmittelvergiftung. War es purer Zufall, dass er im gleichen Camp nach dem gleichen Essen erneut krank wurde? Wir werden es wohl nie herausfinden....

Freitag, 19. September 2014: Massai Mara (Serian Nkorombo)

Den morgendlichen Game Drive mussten wir wegen Krankheit ausfallen lassen. Diesmal blieb ich mit Marcus zurück, versorgte ihn mit allem Nötigen und holte noch etwas Schlaf nach. Im Verlaufe des Nachmittags wagten wir es wieder auf die Pirsch. Marcus trauerte dem verpassten Morgenausflug nach und wünschte sich stattdessen einen Gepard im Auto als Wiedergutmachung. Naja, das war jetzt vielleicht etwas hoch gegriffen, aber man kann ja nie wissen...

Bei der Camp Ausfahrt begrüssten uns drei Giraffen. Und auch „unser“ Löwenrudel fehlte an diesem Nachmittag nicht, das sich noch immer an gleicher Stelle wie am Vorabend aufhielt. Vor uns lag ein Knäuel aus Pfoten, Köpfen, Körpern und Schwänzen. Sie umarmten sich im Schlaf, lagen halb aufeinander, gähnten, leckten sich gegenseitig, wälzten sich auf den Rücken oder schmusten miteinander. Andere nuckelten gerade an Mamas oder Tante's Zitzen, so genau wussten wir das nicht. Da es noch etwas zu früh für die Löwen war, fuhren wir weiter. Wie schon an den Vortagen fing es pünktlich um 16:30 Uhr an zu regnen. Wir schlossen deshalb das Dach, liessen aber die Seiten noch offen. In der Ferne machte James ein Gepard im Gras aus. Ich staunte immer wieder über James’Argusaugen. Ihm entging wirklich nichts. Wir näherten uns der Katze, die ruhig im Gras lag. Dann aber schenkte uns die Mara einen jener magischen Momente, die man nie erwarten sollte, auf die man aber trotzdem gerade hier hoffen kann. Der Gepard kam näher ans Auto, schaute zu uns hoch und im nächsten Moment sprang er in die dritte Sitzreihe in unserem Jeep. Marcus, der nur wenige Zentimeter Abstand zum Gepard hatte, konnte seinen Atem im Nacken spüren. Er drehte sich um. Blickkontakt. Fotografieren konnte ich auf diese kurze Distanz mit dem 70-200mm Objektiv nicht mehr, aber filmen war noch möglich. Es verstrichen jedoch einige Sekunden, bis ich die Filmkamera bereit hatte. An ein Stativ oder andere Stabilisation war nicht zu denken. Ich musste also aus der Hand filmen und hoffen, dass das Bild nicht zu sehr verwackelte. Der Gepard war ganz ruhig und Marcus war wohl gerade der glücklichste Mensch auf Erden. Die Raubkatze drehte sich einmal herum und versuchte weiter nach oben auf unser Dach zu klettern, doch der Winkel passte nicht. So wechselte der Gepard innerhalb unseres Fahrzeugs die Seite, hüpfte wieder hinaus und rannte wie verrückt umher. Kurz darauf sprang er ein weiteres Mal in unser Fahrzeug und wedelte dieses Mal den Schwanz in Marcus’ Gesicht ehe er wieder ins Freie sprang. Dann änderte der Gepard seine Taktik und sprang über die Motorhaube auf's Dach, wo er sich genüsslich niederliess und den Weitblick genoss. Mittlerweile waren weitere Touristen zur Stelle, die uns mit dem Gepard auf dem Dach fotografierten. Das Stoffdach gab unter dem Gewicht der Raubkatze nach, so wussten wir immer, wo er sich gerade aufhielt. Gut 15 Minuten nutzte der Gepard den Aussichtsposten. Dann kletterte er wieder hinunter und machte einen kurzen Ausflug auf ein zweites Auto. Dieses Dach war zwar über das Reserverad hinten einfacher zu besteigen, doch es war hart. So sprang er wieder hinunter, kam schnurgerade wieder auf uns zu, und "hopp" - schon ging's über die Motorhaube nochmals hinauf. Marcus lehnte sich vorsichtig seitwärts aus dem Auto und fotografierte den Gepard. Es entstanden ein paar wirklich tolle Bilder, die uns noch lange an dieses einmalig schöne Erlebnis erinnern werden. Schliesslich inspizierte der Gepard alles mögliche von der Motorhaube aus. So schaute er durch die Windschutzscheibe und verfolgte jede Bewegung von James, prüfte die Lizenzen hinter der Frontscheibe und biss in die Antenne, bevor er schliesslich auf den Scheibenwischer stand und dieser unter seinem Gewicht nachgab und knackte. Nachdem alles inspiziert war, verabschiedete er sich von uns und zog von Dannen. Es war unfassbar, dass Marcus’ Traum in Erfüllung ging. Es war ein unglaublich intensiver Moment, unbeschreiblich schön und sehr beglückend. 

Nach diesem Wahnsinns Erlebnis fuhren wir nochmals zum Leopard Hill. Die Leopardenmutter sass auf einem Baum und kletterte kurz nach unserer Ankunft retour hinunter (andere Touristen hatten auf diesen Moment sage und schreibe vier Stunden gewartet). Sie hatte eine eigenartige Klettertechnik. Dann rief sie nach ihrem Nachwuchs. Es war leider schon spät, so dass wir die Rückfahrt nicht mehr länger hinaus zögern konnten. Mit Scheinwerfer ging es um 18:30 Uhr zurück. Um diese Zeit hätten wir längst im Camp sein sollen. Ich war nervös, denn James riskierte unseretwegen eine Busse. Glücklicherweise erreichten wir im Schutz der Dunkelheit unbemerkt unser Zuhause. Und so erlebten wir trotz anfänglichen Beschwerden einen fantastischen Tag. Ende gut, alles gut.

Samstag, 20. September 2014: Massai Mara (Serian Nkorombo) – Serengeti (Serian Serengeti North)

Beim Verlassen des Camps hörten wir zwar die Löwen brüllen, doch ausgerechnet an unserem letzten Morgen in der Mara waren die Kätzchen wie vom Erdboden verschluckt. Wir trafen auf das Männchen, doch Frauen und Kinder waren nirgends zu sehen. Schade, wir hätten uns gerne noch von ihnen verabschiedet. Auch der Check beim Leopard Hill war nicht ergiebig. So machten wir uns langsam auf den Weg nach Musiara. Unterwegs trafen wir auf Familienmitglieder des Marsh Löwenrudels. 42 Stück sind es insgesamt, wobei wir an diesem Morgen nur zwei Löwen im hohen Gras liegen sahen. 

In der Nähe des Flugplatzes tanzten Warzenschweine, Zebras, Wasserböcke, Topis, Gazellen und Paviane in Hülle und Fülle durchs Bild. Nach einer kurzen Wartezeit am Flugplatz verabschiedeten wir uns von James und drückten ihm ein Schweizer Sackmesser und ein grosszügiges Trinkgeld in die Hand bevor wir in den kleinen Buschflieger stiegen. Ausser uns waren noch zwei Italiener an Board, die uns sofort wieder erkannten. Sie hatten nämlich von uns und dem Gepard etliche Fotos geschossen, die sie uns später freundlicherweise per Email zukommen liessen. Darüber freuten wir uns natürlich sehr. Der Flug an die Landesgrenze Kenia/Tansania dauerte 30 Minuten. Die Prozedur beim Grenzübergang lag uns etwas auf dem Magen, da das EDA von diesem Landesteil nichts Gutes berichtete. Doch auch dieses Mal erwies sich die Sorge als unnötig. Problemlos und innert weniger Minuten hatten wir unsere beiden Stempel im Pass. Der Weiterflug von Tarime nach Kogatende dauerte nochmals 15 Minuten. Mit dem monotonen Surren des Propellers im Ohr richtete ich meinen Blick aus dem kleinen Fenster der Cessna hinab auf die karge Wildnis fern unter mir. Dann setzte der kleine Flieger bereits wieder auf dem Boden auf. Die Sonne brannte und die Tsetse Fliegen summten uns ums Gesicht. Wir waren überrascht über die lästigen Biester, hatten wir doch im Vorjahr keine einzige dieser Plagegeister in der Nord-Serengeti angetroffen. 

Auf das Wiedersehen mit Masha freuten wir uns besonders. Er ist in der Zwischenzeit Vater von Zwillingen geworden und hatte ziemlich an Gewicht und Muskeln zugelegt. Masha wusste, dass wir ohne Erfrischung direkt auf Pirsch wollten und so ging’s mit dem kleinen, kompakten Fahrzeug direkt in den Busch hinaus. Die Landschaft kam mir sehr vertraut vor und ich war glücklich, wieder hier sein zu dürfen, auch wenn mir die aufdringlichen Fliegen schon nach wenigen Minuten auf die Nerven gingen. Masha steuerte zur Rock Area, wo wir unseren ersten Leoparden auf dem Felsen unter einem grossen Baum entdeckten. Es war eine hübsche Dame und obwohl es vor lauter Blätter und Äste nicht einfach war, einen idealen Standpunkt zu finden, gelangen uns ein paar tolle Aufnahmen. Dann aber verdunkelten gewaltige Wolkentürme die Sonne. Wind kam auf. Es herrschte eine Stimmung wie bei einem Weltuntergang. Die ersten Regentropfen fielen vom Himmel. Der Leopard nutzte die Deckung der Baumkrone. Dann aber kletterte die Dame elegant und trittsicher vom Felsen hinunter und zog davon. Der Regen wurde nun immer stärker, so dass wir auch die Seiten beim Auto schliessen mussten. Der trockene Boden konnte die riesigen Wassermengen nicht mehr aufnehmen. In Senken und Gräben bildeten sich innert Minuten breite Flüsse. Im Schutz unseres Geländewagens beobachteten wir das Geschehen. Auf dem Rückweg konnte Masha seine Fahrkenntnisse einmal mehr unter Beweis stellen. Während andere Fahrer den neu entstandenen Wassermassen nicht mehr trauten, zögerte Masha keine Sekunde und brachte das Fahrzeug gekonnt auf die andere „Fluss“-Seite. Endlich lag „Waterworld“ hinter uns und das Fahrzeug kletterte den Hügel hinauf zur Campsite. Das Management im Serian Serengeti hatte gewechselt. Wir waren in Zelt Nummer 1 einquartiert, was wir sehr begrüssten. Nachdem wir unsere Fotos auf die Hard Disk gespeichert und uns unter der warmen Dusche wieder aufgewärmt hatten, ging es zum Abendessen. Die langen Tage im Busch waren anstrengend. Deshalb gingen wir zeitig ins Bett, denn schliesslich ging es am nächsten Morgen wieder vor Sonnenaufgang los. 

Sonntag, 21. September 2014: Serengeti (Serian Serengeti North)

Am Sonntagmorgen wurden wir von einer freundlichen Stimme aus unseren Träumen gerissen. Herrje, haben wir verschlafen? Warum hat unser Wecker nicht geklingelt? Ein Blick auf die Uhr brachte uns am frühen Morgen vollständig durcheinander. Diese zeigte erst 5 Uhr. Hatten wir die Zeitverschiebung einmal mehr nicht im Griff oder haben sie uns einfach nur zu früh geweckt? Irritiert stürzten wir uns in die Kleider, gönnten uns je eine halbe Tasse Tee und stolperten anschliessend durch die komplette Dunkelheit zum Hauptzelt hinauf. Es war weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Also doch keine Zeitverschiebung verpasst. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Managerin ausversehen die falsche Weckzeit auf ihrem Rapport notiert hatte. Schade, diese ½-Stunde Schlaf hätten wir gerne noch mitgenommen…

Um 6:00 Uhr kam Masha mit dem Jeep angerollt. Für die Montage unseres Stativs brauchten wir beim neuen Fahrzeug wieder etwas länger, dennoch verliessen wir das Camp noch bei Dunkelheit. Als die Sonne aufging, hatten wir die Lodge schon weit hinter uns gelassen. Es war kalt und der Fahrtwind wirkte sehr erfrischend. Wie wir es von Masha kannten, fuhr er mit ungeheurem Tempo vorbei an Gnuherden zur Rock Area, in der Hoffnung, dort in der Morgendämmerung auf Leoparden zu treffen. Knapp 30 Minuten später erreichten wir unser Ziel, wo ich eine hübsche Dame auf einem hohen Felsen erspähte. Die Leopardin war eigentlich gut sichtbar, aber da Masha noch immer ein ordentliches Tempo auf den Tacho brachte, war es trotzdem nicht ganz einfach, sie zu entdecken. Ich war schon ein bisschen stolz auf mich und meine wachen Augen am frühen Morgen. Wir konnten gerade noch ein paar Dutzend Fotos machen, bevor sie auf einen anderen Felsen unter einem grossen Baum mit dicht bewachsenen hängenden Ästen wechselte. Immerhin legte sie sich an den Rand, so dass wir sie nach wie vor sehen und ablichten konnten. Dort widmete sie sich stundenlang der Körperpflege. Als die Hyänenrufe immer lauter wurden, bellte sie, um ihr Revier zu verteidigen. Überraschenderweise respektierten die Hyänen ihre Antwort und entfernten sich. Sie setzte ihre Schönheitspflege fort. Mittlerweile waren weitere Touristen an diesem Ort eingetroffen. Bald schon wurde es ihr zu hektisch, weshalb sie sich zwischen den Felsen im hohen Gras vor den lästigen Touris versteckte. Gleich um die Ecke lag ein zweiter junger Leopard auf einem Stein. Ich wunderte mich, dass sich die beiden Leoparden auf so engem Raum nicht in die Haare kriegten. Wir nahmen noch einige Aufnahmen vom zweiten Leoparden mit, ehe wir zum Fluss steuerten.

Masha servierte uns beim Crossing Point Nr. 3 ein reichhaltiges Frühstück. Allerdings rannten die Gnus am Ufer entlang davon, weshalb wir unsere Mahlzeit abrupt unterbrachen und ihnen folgten. Als die Gnus eine Pause wegen Unentschlossenheit einlegten, versuchte Marcus das Stativ besser zu fixieren. Es war ja wohl klar, dass wir auf dem falschen Fuss erwischt würden... Die Gnus rannten wieder zurück auf die Höhe, an der wir ursprünglich unsere Frühstückspause einlegten. Und diesmal zögerten sie nicht mehr. Der Startschuss kam für unseren Geschmack einmal zu früh. Masha preschte zum Ufer hinunter während Marcus notdürftig das Stativ befestigte. Wir hatten eine geniale Position und waren endlich auch kameratechnisch bereit, die Flussdurchquerung in Szene zu setzen. Der Mara floss an dieser Stelle ruhig dahin –Krokodile waren nicht in Sicht. Es war eine kleine Gnuherde, aber dennoch war das Crossing spektakulär. Vor dem letzten Sprung ins kalte Nass stauten sich nämlich die Tiere nochmals. Leib an Leib standen die Tiere an der Abbruchkante und streckten ihre langen Hälse vor, als würde sich dadurch die Höhe des Abgrunds verringern und der bevorstehende Sprung nicht mehr ganz so bedrohlich wirkte. Mit waghalsigen Sprüngen stürzten sie sich schliesslich in den Fluss. Gleich neben der Kante fanden andere Tiere einen leichteren Zugang. Viele Tiere wateten gleichzeitig durchs Wasser. Es entstand eine lange S-Kurve, die nicht nur auf den Fotos spannend wirkte. Alle Gnus erreichten heil das andere Ufer, ein Teil der Herde blieb jedoch zurück. Die Mütter riefen nach ihrem Nachwuchs und umgekehrt. Gnulaute hallten über den Fluss. So kam es, dass eine Handvoll Tiere wieder zurückschwamm. Hoffentlich werden sie das nächste Mal das grosse Hindernis gemeinsam bezwingen.

Auch wenn es nur ein kleines Crossing war, so ist jede Flussüberquerung ein einmaliges Erlebnis. Es gibt wirklich kaum ein spektakuläreres Schauspiel im Tierreich als die jährliche Wanderung der Gnus in Ostafrika. Während der Regenzeit grasen sie auf den fetten Weiden der Serengeti in Tansania. Nach deren Ende im Frühsommer verdorrt das Land und die Gnus ziehen nach Norden in die Massai Mara in Kenia, wobei sie den Mara Fluss überqueren müssen. Gegen Ende des Winters gibt es auch in Kenia nichts mehr für sie zu fressen. Also setzt sich die hungrige Karawane wieder in Bewegung, zurück in Richtung Süden, wobei wieder abermals der Mara überwunden werden muss. Ihre ständige Suche nach Nahrung und Wasser ist wie ein ewiger Kreislauf von Leben und Sterben. 

Zufrieden fuhren wir entlang des Flusses, wo Krokodile und viele Hippos ein Sonnenbad genossen. Auch zwei Kronenkraniche suchten in der Ufergegend nach Nahrung. Es war nicht einfach, diese Vögel paarweise aufs Bild zu kriegen. Mit viel Geduld gelang es uns dann immerhin halbwegs. 

Um 12:00 Uhr waren wir zurück im Camp, genossen ein Privatlunch und anschliessend eine Siesta. Die Pause tat gut, dennoch kriegten wir das Gefühl nicht los, etwas zu verpassen. Deshalb entschieden wir uns, fortan Ganztages Safaris zu unternehmen, auch wenn wir in der Hitze brüten mussten.

Am frühen Nachmittag ging es wieder hinaus in den Busch. Es zog jedoch ein Gewitter auf, weshalb die Pirschfahrt unspektakulär ausfiel. Wir fuhren in Richtung Lamai, um zu sehen, ob noch weitere Gnuherden im Anmarsch waren. Masha konnte welche ausmachen, aber für unser Auge war es selbst mit Fernglas noch schwierig. Neben dem grössten Adler Afrikas fanden wir an diesem Nachmittag auch noch drei junge scheue Löwen im hohen Gras. Danach kehrten wir für einmal früh (18:00 Uhr) ins Camp zurück. Trotzdem gab es noch viel zu tun: Akkus laden, Fotos auf externe Festplatte kopieren und Objektive vom Staub befreien. Viel Zeit für die Dusche blieb vor dem Abendessen nicht mehr. 

Wie schon an den Vorabenden konnten wir das Essen in einem separaten Zelt einnehmen. Wir waren ganz froh um das stille Plätzchen, denn im Hauptzelt brüllten sich die Amerikaner gegenseitig an. Zusätzlich waren die Pausen zwischen den Gängen nur kurz, so dass wir früher als die anderen Gäste zurück ins Zelt konnten. Mir sollte es Recht sein, denn die Tage waren anstrengend und ich konnte meine Augen abends kaum mehr offenhalten.

Montag, 22. September 2014: Serengeti (Serian Serengeti North)

An diesem Morgen erfolgte der Weckruf zur richtigen Zeit. Eine halbe Stunde später waren wir bereits unterwegs. Der Wind wehte durch mein Haar. Erwartungsvoll schweifte mein Blick über die sanften Hügel der Savannenlandschaft. Wir waren noch keine fünf Minuten unterwegs und schon wuchs meine Anspannung – werden wir heute nochmals ein Crossing erleben? Beim Mara trafen wir auf einige kleinere Herden. Langsam rückten sie zum Mara vor. Wir warteten bei Crossing Nummer 4. Bevor jedoch ein mutiges Tier den ersten Schritt wagte, kam per Funk die Durchsage, dass es bei Crossing Nummer 2 losging. Masha fuhr wie ein Henker querfeldein. Wir flogen förmlich aus den Sitzen, und auch die Arretierung der letzten Sitzbank löste sich irgendwann und knallte nach einer weiteren Bodenwelle mit voller Wucht auf unsere Köpfe. Als wir endlich bei besagter Stelle ankamen, war das Crossing soeben zu Ende. Also schnell wieder zurück. Doch auch bei Nummer 4 war die Vorstellung mittlerweile vorbei. Nach dieser Pleite warteten wir bei Nummer 3 auf die grosse Herde und nutzten die Zeit zum Frühstücken. Eine Handvoll Tiere sprang in den Fluss. Hektik brach in unseren Reihen aus. Wir sprangen ins Auto, rüsteten unsere Kameras und rasten zum Ufer hinunter. Doch die Durchquerung kam ins Stocken. Die Gnus schwenkten um, beschleunigten ihren Lauf entlang des Ufers und fielen schliesslich in Galopp, nur um plötzlich wieder umzuschwenken und Haken schlagend zurück zur ursprünglichen Position zu rennen. Oben am Steilufer hielten sie inne. Auch wir, die der Herdenbewegung folgten, kehrten zu unserem Frühstück zurück. Über der Herde lag ein ständiges verhaltenes Muhen aus Hunderten von Kehlen, das wie „Gnu“ klang und den Tieren ihren deutschen Namen eingetragen hat. Auf weiten Strecken hat sich der Strom tief in den Untergrund gefressen. Die Steilwand war mehr als 15m hoch - zu hoch für die Gnus, sagte Masha, der auf den einfachen Einstieg vor uns tippte. Doch völlig überraschend und für uns nicht nachvollziehbar wählten die Gnus den Weg über die meterhohe Abbruchkante. Zum Frühstücken blieb wieder keine Zeit! Wir liessen Tisch und Stühle samt Essen stehen, würgten den letzten Bissen herunter und preschten zum Ufer vor, wo die Tiere die fast senkrechte Uferbank hinunter auf den Boden oder ins Wasser sprangen. Nicht allen gelang eine perfekte Landung. Ein Gnu verlor sogar komplett das Gleichgewicht. Es landete auf dem Rücken und zappelte wild mit den Beinen, bis es wieder festen Boden unter den Hufen spürte. Unter ständigen Gemuhe stürzten sich die Tiere wie von Sinnen in die Tiefe und schwammen anschliessend um ihr Leben. Es grenzte schon an ein Wunder, dass sich bei diesen halsbrecherischen Sprüngen kein Tier verletzte. Immerhin blieben die Gnus von angreifenden Krokodilen verschont. Nach 30 Minuten ebbte der Strom langsam ab. Es war ein spektakuläres Crossing mit durch die Luft fliegenden Kühen, und genau wegen solchen Momenten kommen wir zu dieser Jahreszeit hierher. 

Endlich fanden wir die nötige Ruhe zum Frühstücken. Mit vollen Mägen suchten wir dann das Ufer nach weiteren Herden ab. Bei Nummer 7 trafen wir gerade rechtzeitig für ein kleines Crossing mit vielen Zebras ein. Aufgereiht wie auf einer Perlenkette standen einige Tiere im seichten Wasser und löschten ihren Durst. Immer wieder schreckten sie aber auch auf und wichen vom Wasser zurück. Schliesslich aber wagten alle den Sprint durch den Mara. Der Wasserstand war niedrig, so dass die Tiere schnell und ohne Verluste das andere Ufer erreichten. Weiter ging es zu Crossing Nummer 8, wo wir im Vorjahr ein Riesenheer, aufgereiht wie die Chinesische Mauer, antrafen. In diesem Jahr waren die Herden generell kleiner, dafür sahen wir mehrere Flussdurchquerungen pro Tag. Bei Nummer 8 befanden sich die Tiere bereits im Wasser. Links schauten ein paar Hippos aus dem Wasser heraus, als wollten sie den Grund des plötzlichen Treibens in Erfahrung bringen. Das Ufer war übersäht mit Fahrzeugen und der Winkel zum Fotografieren war wegen Gegenlicht suboptimal. Doch es trennte uns ein Graben von der gegenüberliegenden Seite, welcher nur mit grossem Umweg und Zeitverlust umfahren werden konnte. So verfolgten wir das Treiben im Fluss für einmal nicht durch den Sucher der Kamera. Bald war ein halbes Dutzend an Grossmäuler zur Stelle, die nur auf die Wanderschaft gewartet hatten. Was nun folgte, war ein blutiger Kampf, der mit mehreren Opfern endete – aber eben auch mit neuem Leben. Wegen der vielen Krokodile kam die Durchquerung ins Stocken. Es sah so aus, als würde es noch einige Zeit dauern, bis die nächste Herde den Fluss durchschwimmen würde. Daher verliessen wir um 12:00 Uhr erst einmal unseren Standort, suchten flussabwärts nach einem schönen schattigen Plätzchen, auf dem wir die ersten aufregenden Erlebnisse des Tages verarbeiten und die Buschtoilette aufsuchen konnten. Natürlich behielten wir während der ganzen Pause auch immer das Geschehen am Fluss im Auge. Die ersten Tiere einer weiteren Herde tasteten sich nämlich die Uferböschung hinab. Es dauerte jedoch nicht lange und die Tiere kamen wieder hoch und zogen sich mit ihren Artgenossen zurück. Vor und wieder zurück - dieses Spielchen wiederholte sich zig Mal. Vier Stunden vergingen und nichts passierte. Waren wir zu Beginn noch von diversen Fahrzeugen umgeben, standen wir mittlerweile alleine da. Leise Zweifel kamen auf. Lohnte es sich überhaupt an diesem Ort stehen zu bleiben? Es bildeten sich kleine Grüppchen und es sah fast so aus, als ob sich die Tiere Mut zusprechen würden. Immer wieder setzte eines der vordersten Tiere dazu an, über den sandigen Uferabbruch ins Wasser zu gleiten, machte dann aber doch wieder einen Rückzieher und rannte in Panik davon, weshalb ihm auch der Rest der Herde kopflos folgte. Als wir gerade gehen wollten, ging’s ganz plötzlich los. Zuerst ein Tier nach dem anderen, dann rannten sie alle in den Fluss hinein. Sie kämpften mit der Strömung und vor den Steinen staute sich wie immer die Masse. Von hinten drängten panisch Tiere nach. Einige retteten sich für einen kurzen Moment auf die aus dem braunen Wasser herausragenden Felsen, wo sie vor Angriffen der Krokodile in Sicherheit waren. Allerdings war es ein sehr rutschiges und beinahe halsbrecherisches Unterfangen. Ich konnte mehrmals beobachten, wie ein Tier mit den Vorder- und Hinterbeinen gleichzeitig den Spagat machte. Glücklicherweise brach sich dabei kein Gnu ein Bein. Trotzdem blieben nicht alle Tiere unversehrt. Dies realisierten wir jedoch erst bei der Durchsicht unserer Fotos. Die tödliche Gefahr glitt nämlich lautlos heran, schnappte zu und riss seine Beute gnadenlos unter die Wasseroberfläche. Da gab es kein Entrinnen. Auch weitere Krokodile profitierten von der Herde. Sie mussten nur im Fluss liegen und nach Belieben zuschnappen. Ein wahrer Festschmaus mit leichter Beute. 

Nach diesem Crossing fuhren wir landeinwärts zu den grossen Kopjes. Am Ziel deutete der Verkehr auf einen Treffer hin. Tatsächlich kamen wir uns vor im Zoo. Auf den einen Felsen lag ein Löwenrudel mit ihren Jungtieren und nur 50 Meter entfernt ruhte ein Leopard ebenfalls auf erhöhter Position. Leider war auch ein schwarzes Schaf unter den Guides vertreten, der seine Kollegen bei der Parkbehörde wegen offroad fahren verpfeift. Wir wären gerne etwas näher zum Leoparden gefahren. 30 Meter hätten auch schon gereicht, aber offenbar nimmt es dieser Typ besonders genau und schwärzt seine Kollegin schon bei der kleinsten Abweichung von der Fahrspur an. Wir warteten lange und versuchten das beste aus der Situation zu machen. Als er endlich weg war, fuhren wir näher und konnten trotz Dämmerung noch tolle Bilder machen. Dann aber mussten auch wir das Feld räumen. Wir waren viel zu spät und mussten auf unserer Rückfahrt den Rangerposten passieren. Masha drückte gehörig auf’s Gaspedal. Wir schafften es schliesslich mit 15 Minuten Verspätung und ohne Busse ins Camp. 

Dienstag, 23. September 2014: Serengeti (Serian Serengeti North)

An diesem Morgen fuhren wir als erstes wieder zu den Kopjes, um nach dem Löwenrudel Ausschau zu halten. Optimistisch suchten wir die Gegend ab. Doch wir irrten auch noch nach einer Stunde erfolglos umher. Nachdem unsere Hoffnung fast schon geschwunden war, entdeckten wir die Tiere in einem ausgetrockneten Graben. Mit steigender Sonne suchten sich die Löwen einen Schattenplatz für die heissen Tagesstunden. Dieser war bei den Kopjes bald gefunden. Doch noch bevorzugten sie die Weitsicht, auch wenn sie dadurch der prallen Sonne ausgesetzt waren. Fünf Jungtiere reihten sich nacheinander auf dem Felsen auf und schauten alle in unsere Richtung. Als dann zufälligerweise noch eine Gnuherde im Anmarsch war, kam Spannung auf. Die drei erwachsenen Weibchen schlichen sich sofort leise an und gingen hinter Büschen und Steinen in Deckung. Die Jungmannschaft blieb zurück. Ihre soeben noch müden Augen waren jetzt hellwach. Trotz beeindruckender Taktik scheiterte die Jagd schon bald. Da bei den Löwen so schnell keine Action mehr zu erwarten war, fuhren wir in Richtung Mara.

Bei Übergangsstelle Nummer 8 zog sich bereits eine grosse Herde zusammen. Wir hatten für uns den absolut perfekten Beobachtungsposten gefunden und standen recht gut getarnt im dichten Busch, so dass wir für die Tiere keine Störung sein durften. Wir nutzten die Wartezeit zum Frühstücken und um die Buschtoilette aufzusuchen. In der Zwischenzeit wurden die Übergänge von einigen Tieren in Augenschein genommen, doch irgend etwas gefiel ihnen dort unten nicht. Einige zogen weiter und suchten flussabwärts nach einer besseren Querung. Wir blieben bei der mittlerweile geschrumpften Herde und hofften, dass sie den Fluss an jener Stelle mit für uns besserem Winkel passieren würde. Doch weit gefehlt. Wieder wählten sie die ungünstige Passage. Masha zögerte nicht lange und startete eine Rally Fahrt um den Graben herum. Er war wirklich ein ausgezeichneter Fahrer und kannte jede Bodenwelle, auch wenn sie aus der Distanz noch so harmlos aussah. Die Fahrt machte Spass, auch wenn wir aus Zeitgründen lieber schon am Ziel angekommen wären. Wir verpassten zwar ca. 5 Minuten des Crossing, aber unsere neue Position war um Welten besser. Leider waren die Krokodile auch schon zur Stelle. Es war klar, dass es diesmal nicht alle Tiere bis zum anderen Ufer schaffen würden. Ein Gnu wurde von einer Echse gepackt, unter Wasser gerissen und getötet. Es war ein leiser, aber nicht unbemerkter Tod. Die Wanderung kam sofort ins Stocken. Der Staub legte sich wieder. Der Fluss lag ruhig vor uns. Und auch die Krokodile lagen flussabwärts wieder am Ufer und dösten vor sich hin. Die Echsen sind nämlich Meister im Warten. Monatelanges Fasten ist für sie kein Problem. In diesen Wochen fiel ihnen aber so manches Tier zum Opfer. 

Nach diesen dramatischen Szenen fuhren wir zurück zur zweiten Herde bei Übergang Nummer 7 und suchten uns ein Schattenplätzchen auf einer Anhöhe mit Blick auf die Crossingstelle. Doch für die nächsten Stunden war diese Herde absolut unentschlossen. Eine Vorhut von 20-30 Tieren testete immer mal wieder den Crossing-Point direkt vor unserer Nase. Die Tiere waren sehr aufgeregt und schreckhaft. Bei der kleinsten Störung drehten sie um. Das Ergebnis war erst einmal ein wildes Durcheinander. Alle Tiere flüchteten vom Wasser weg. Es war wie immer. Das ewige Hin und Her, Vor und Zurück. Keines der Tiere wagte den Anfang, keines entschloss sich zum Sprung ins Wasser. Wir warteten noch immer. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel herunter. Wieder einmal beschlich uns das Gefühl, dass wir vergebens ausharrten. Frustriert kontrollierten wir wohl zum zehnten Mal die Kamerafunktionen und stellten sicher, dass Verschlusszeit und ISO-Zahl richtig eingestellt waren. Im Gänsemarsch näherten sich die Gnus dann wieder dem Fluss, stiessen rhythmische Muh-Laute aus und wirbelten mit ihren Hufen Staubwolken auf. Und plötzlich ging alles ganz schnell: Die Wanderer stürmten geradezu durch den Fluss. Auf breiter Front stürzten sie sich ins Wasser. Eine Staubwolke stieg in den afrikanischen Himmel hoch. Mit angstgeweiteten Augen rannten sie durchs Wasser, um möglichst schnell das gegenüberliegende Ufer zu erreichen. Manche sprangen in ungelenken Sätzen auf die Rücken der vor ihnen Laufenden. Sie hatten Angst vor den Krokodilen, die auf Beute lauerten. Und so plötzlich die Durchquerung begann, so plötzlich endete sie wieder. Wie immer blieben einige Tiere jenseits des Ufers zurück. Die Zebras standen sich an den Ufern gegenüber und bekundeten ihre Sorge mit Geräuschen, dass sie es nicht alle gemeinsam geschafft hatten, den Fluss zu durchqueren. Doch die grosse Herde zog, ohne sich noch einmal umzudrehen, in langen Linien in eine Ferne, in die sie ein uralter Instinkt magisch lockt.

Nach der erfolglosen Suche nach der Leopardenmutter mit ihren beiden Jungtieren erreichten wir das Camp um 18:35 Uhr. Und die Migration begleitete uns quasi auch noch des Nachts, da die Tiere nicht weit von unserem Zelt vorbeizogen und ihre uns bereits vertraut gewordenen Geräusche bis in unser „Zimmer“ drangen. Herrlich, Afrika ganz nah, bis ins Reich der Träume hinein!

Mittwoch, 24. September 2014: Serengeti (Serian Serengeti North)

Wir hatten gut geschlafen und begaben uns voller Tatendrang auf Pirsch. Wie immer war es ein besonderes Gefühl, auf einer Safari das Erwachen des Tages zu erleben, wenn der Duft des frischen Morgens und die Vorfreude auf den kommenden Tag in der Luft hingen. Unser Weg führte wie so oft am frühen Morgen zu den Kopjes. Doch anstatt der Leoparden trafen wir auf ein 11-köpfiges Löwenrudel. Auch nicht schlecht! Vollgefressen und etwas scheu wanderten sie über die Savanne und suchten Unterschlupf bei den Granitfelsen, wo sie den Rest des Tages verbrachten. Etwas später als erwartet zeigte sich dann auch der Leopard. Quasi um die Ecke lag ein junges Weibchen auf einem Stein. Es reichte gerade noch für drei Fotos, bevor sie diesen Platz verliess und querfeldein im Zickzack umherschlenderte. Aufgrund der vielen kleinen und grossen Steinen war es nicht ganz einfach, der jungen Dame zu folgen. Lange passierte nichts Aufregendes, dann spurtete sie plötzlich davon und raste einem Hasen hinterher. Doch dieser trickste sie hackenschlagend gekonnt aus. Die Angreiferin gab auf. Und als wollte sie uns sagen: Das macht mir gar nichts aus – stolzierte sie mit erhobenem Kopf und Schwanz (ohne jemand eines Blickes zu würdigen) wie eine beleidigte Hauskatze in Streichelweite an uns vorbei. Schliesslich liess sie sich auf einem Stein nieder und ruhte sich im Schatten aus. Als immer mehr Fahrzeuge angerollt kamen, zogen wir uns zurück. Wie immer suchten wir unseren Weg zum Fluss als sich Masha’s Funkgerät meldete. Ein Nashorn wurde gesichtet. Masha war Feuer und Flamme. Wir holperten über Stock und Stein, unsere Blicke gespannt in die Ferne gerichtet. Plötzlich drückte Masha das Gaspedal und bretterte einmal mehr in einem höllen Tempo quer durch die Landschaft. Während die Bandscheiben bei der „Verfolgungsjagd“ auf Kompaktformat gestaucht wurden, jagte ein „Ah!“ das andere. Selbstverständlich hatten wir die Kamera immer im Anschlag, es war nur etwas holprig! Letzendlich entdeckten wir das Rhino. Doch anders als erwartet stürmte das Muskelpaket mit dem Gewicht eines mittleren Kleinwagens verängstigt davon, als müsste es um sein Leben fürchten. Das war kein normales Verhalten und ich war sicher, dass Wilderer dafür verantwortlich waren. Wir wollten das arme Tier nicht weiter einschüchtern und drehten ab. Es ging zurück zum Fluss, für einmal zu Crossing Point Nummer 9 und 10, wo wir uns auf einem Hügel in der Sonne aufwärmen liessen und ein Frühstück mit Pfannkuchen genossen. Lecker! Wieder erreichte uns per Funk die Nachricht einer weiteren Sichtung. Diesmal war es eine Gepardenmutter mit ihrem Jungtier. Wir waren ganz in der Nähe und gönnten uns den kleinen Abstecher, zumal sich die Zebras und Gnus noch Zeit liessen. Leider konnten wir den Geparden nur ganz kurz folgen, da sich in einem Fahrzeug ein Ranger unter Gäste mischte und wir somit gezwungen wurden, auf den Pisten zu bleiben. Ohje, die armen Gäste, sie hätten ebenso gut im Camp bleiben können und dort wahrscheinlich mehr gesehen. Masha konnte nicht verstehen, wie man sich einen Ranger ins Fahrzeug holen konnte. Wir auch nicht.

Es hatte keinen Sinn, weiter bei den Geparden zu bleiben. Deshalb fuhren wir zurück zur Migration. Obwohl der so verlockende Schatten nur wenige Meter neben der Fahrbahn war, war es Masha zu heikel. Die Sonne stand im Zenit und brannte uns erbarmungslos auf den Pelz. Das Wasser lief uns herunter. Irgendwann hielten wir es nicht mehr aus, so dass wir, Ranger hin oder her, in den Schatten wechselten. Stunde um Stunde verging. Immer wieder inspizierten einzelne Gnus oder Zebras das Flussufer. Aber irgend etwas erschreckte sie und in wilder Panik galoppierten sie die Böschung wieder hoch. Die ersten Tiere wagten sich wieder vorsichtig an den Rand des Wassers. Zuerst zögerlich dann entschlossen sprang ein Gnu in die Fluten und alle folgten ihm. Die Gefahr war ihnen instinktiv bewusst, dennoch war das schicksalhafte Treiben der Herden nicht aufzuhalten. Wir starteten unsere Henkers Fahrt den Berg hinab. Unten angelangt, installierten wir Foto- und Videokameras, um die Flussdurchquerung einmal mehr bildlich festzuhalten. In einer S-Kurve schwammen die Gnus unter lautem Gemuhe um ihr Leben. Am diesseitigen Ufer suchten sie einen Ausstieg und fanden ihn zum Glück schnell. Ein lautes Ruf- und Antwortspiel der Zebras erfüllte die Luft. Oh weh, sie trauten sich nicht. Ein kleineres Krokodil tauchte an der Passage auf, doch diesmal konnten die Gnus den gefährlichen Kiefern der Echse entwischen. Nachdem die Gnus alle wieder festen Boden unter ihren Hufen hatten, wagte sich nun auch eine Gruppe Zebras ins Wasser. In langen Reihen wateten sie langsam aber stetig dem rettenden Ufer entgegen. Nach 40 Minuten war dieses Spektakel erst einmal beendet. 

Wir verliessen diesen Ort und suchten uns bei Übergangsstelle Nummer 7 ein nettes Schattenplätzchen. Es war 13:15 Uhr als wir unter einem ausladenden Baum direkt am Ufer einen Platz finden. Diesen Ort sollten wir in den nächsten Stunden auch nicht mehr verlassen. Die Zebras waren sehr nervös. Ihre typischen Rufe schallten besonders durchdringend zu uns herüber. Immer wieder wagten sie sich ans Wasser heran, aber keines wollte den ersten Schritt machen. Also ging es wieder zurück. So ging das einige Stunden hin und her. Die Warterei und die Hitze machten müde und wir hingen wie tote Fliegen im Auto herum. Doch Masha’s Augen entging nichts. Er erkannte die Absichten der Wanderer lange vor den anderen Guides. Wieder bretterten wir zum Ufer hinunter, während die anderen Fahrzeuge noch immer an gleicher Position verharrten. Diesmal nahmen wir auch den Graben unter die Räder, um von einer noch besseren Position zu profitieren, doch nun standen wir in steilem Winkel vor einer Bodenwelle. Zusätzlich verdeckten Bäume unser Blickfeld. Oh nein, hatten wir zu hoch gepokert? Doch mit dem besten Fahrer am Steuer bezwang unser kompakte 4x4 auch diese Hürde. Nun sahen wir die Gnus und Zebras von vorne passieren. Es war genial. Erst ganz am Schluss entdeckten ein riesiges Krokodil, das sein Opfer am Bauch packte. In den riesigen Fängen seines Angreifers wirkte das Gnu wie gelähmt. Es war das Ende seiner Reise. Die Wildnis erschien gnadenlos, doch die Tiere erleben diesen Zyklus jedes Jahr aufs Neue. 

Kaum war das eine Crossing zu Ende, hielt uns flussaufwärts bereits das nächste in Schach. Auch hier wohnten wir dem Spektakel aus geringer Entfernung bei. Die Tiere wirbelten die trockene Erde mit ihren Hufen auf und hüllten sich in eine feine Staubwolke. Es war ein kurzes Crossing und schliesslich kehrte am Mara wieder Ruhe ein. 

Da wir bei den Kopjes um diese Uhrzeit viele Autos erwarteten, fuhren wir entlang des Ufers gemächlich zurück, quer durch grosse Tierherden. Es war ein toller Anblick! Die Migration ist wahrlich ein einzigartiges Schauspiel der Natur und ein ewiger Kreislauf des Lebens.

In der Nacht weckte mich ein Knistern und Rascheln auf. Ich hob den Kopf und versuchte etwas zu erkennen. Da fiel mir ein, dass ich unsere letzten Cracker auf den Tisch gelegt hatte. Genervt griff ich zur Taschenlampe und zündete in die Ecke, aus der das Geräusch kam. Erstarrt hing ein graues Eichhörnchen mit buschigem Schwanz an der Zeltwand und schaute mich mit grossen Augen an. Doch unsere Cracker waren unversehrt. Erst jetzt dämmerte es mir. Der Kleine war auf Süsses aus und knabberte am flach gedrückten Panetone herum, welcher ich am Abend in den Müll geworfen hatte. Anfängerfehler...! 

 

Donnerstag, 25. September 2014: Serengeti (Serian Serengeti North) – Nairobi - Zürich

Der Tag des Abschiednehmens war herangerückt und so schwirrte schon in den frühen Morgenstunden viel Wehmut in uns. Noch aber konnten wir einen letzten Morgen im Busch geniessen. Wir verabschiedeten uns von der Crew im Camp und luden unsere Taschen in den Jeep. Während dem Gamedrive brach die Sonne durch die Wolken und wir erblickten tausende von neu angekommenen Gnus und Zebras auf den Plains. Zu beiden Seiten säumten Herden das Ufer. Durch den friedlichen Eindruck suggerierten die Tiere ein gewisses Gefühl vom Paradies, obwohl es hier gnadenlos um Leben und Sterben ging. Wir holperten an den Gnus vorbei und fuhren den Fluss entlang. Die Huftiere können Regenfälle aus weiter Entfernung wahrnehmen. So kommt es vor, dass sie den Grenzfluss nicht nur zweimal im Jahr – im Juli / August von Süden nach Norden und im September / Oktober in umgekehrter Richtung - sondern manchmal fünf-, sechsmal und noch öfter durchqueren. Masha war sicher, dass diese Herden nochmals in die Massai Mara zurückkehren würden. Der Regen in Tansania war zu spärlich, als dass die Langstreckenwanderer ihre Reise bereits nach Süden antreten würden. 

Bei Crossing Nummer 1 parkten wir schliesslich den Jeep und beobachteten das Geschehen jenseits des Flusses. Eine Gnuherde versammelte sich in wassernähe. Bestückt mit schussbereiten Kameras scannten wir die Umgebung. Schnell war klar, dass es hier zwei Crossing Stellen gab, zwischen welchen die Gnus schnell wechseln konnten. Wir waren hingegen bedeutend unflexibler, da uns ein Graben von der diesseitigen Übergangsstelle trennte. Es folgten heisse Spekulationen. Die Absichten der Gnus änderten jedoch beinahe im Minutentakt. Alles war möglich, unsere Chancen standen bei 50:50. Gerade als wir uns entschieden, auf die andere Grabenseite zu fahren, wagte dort das erste Gnu den Sprung ins Wasser. Das war der Startschuss für die Herde und the Crossing was on. Masha erkannte die Situation sofort und donnerte um die Ecke. Es war eine steinige Übergangsstelle mit ziemlicher Strömung. Deshalb war unsere verspätete Ankunft nicht ganz so tragisch. Die Ausgangsstelle war besonders felsig und beschwerlich. Dort stauten sich die Tiere, weitere kamen von hinten nach. Glücklicherweise lauerten keine Krokodile im Fluss, so dass alle Tiere unversehrt das rettende Ufer erreichten. Wie immer blieben aber auch einige Huftiere zurück.

Wir verliessen das Ufer und suchten uns einen Schattenplatz auf einer erhöhten Böschung mit Blick zum Fluss - und warteten und warteten. In der Zwischenzeit wollten wir uns das Frühstück schmecken lassen, doch ein anderer Guide packte offenbar aus Versehen unser Tupperware auch noch mit ein. Es war Masha unglaublich peinlich. Wir sahen das nicht so eng und griffen zu den Sandwiches, welche eigentlich fürs Abendessen bestimmt waren, während Masha per Funk im Camp etwas Neues bestellte. Nach sage und schreibe sechs Stunden hatte das lange Warten ein Ende. Nicht, dass sich am Fluss etwas getan hätte. Nein, es war Zeit für uns aufzubrechen. Beim Flugplatz reichte gerade noch die Zeit, um unsere Taschen für die Heimreise umzupacken und die Kameraausrüstung reisefertig zu verstauen. Ich drückte Masha ein grosszügiges Trinkgeld und ein Schweizer Souvenir in die Hand, dann ging es auch schon los nach Tarime. Das fand ich allerdings erst am Vortag heraus, als ich das Reiseprogramm genau studierte. Ich ging nämlich davon aus, dass wir Nairobi direkt ansteuern würden. Deswegen hatte ich bei der Einreise in Kenia auch nur ein Single-Entry Visum gekauft. Falsch gedacht. Nebst den Zusatzkosten für ein zweites Visum befürchtete ich nun, dass die Zeit für den Grenzübergang zu knapp berechnet sein könnte. Aber Afrika ist immer für eine Überraschung gut. Wir setzten also mit der Maschine in Tarime auf, wo wir einen alt bekannten Typen von Coastal Safaris antrafen. Er sammelte unsere Pässe ein und schickte uns in den Schatten zum Warten. Ich verstand die Welt nicht mehr. Nach wenigen Minuten kam ein Grenzkontrolleur auf dem Motorrad angefahren. Er trug eine Uniform und einen knallroten Helm. Das war vielleicht ein Bild! Er verpasste unseren Pässen den nötigen Ausreisestempel bevor er mit seinem Zweirad wieder davon brauste. Es war ein ungewöhnlicher Ablauf, aber für uns natürlich sehr bequem. Danach ging es mit derselben Maschine nach Nairobi. Heftige Turbulenzen waren dafür verantwortlich, dass der stündige Flug für mich zur Tortur wurde. Der Flug dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Auch Marcus musste leiden, weil ich seine Hand unglaublich festgedrückt haben muss. Endlich war es soweit – die Cessna setzte zur Landung in Nairobi an. Geschafft – und zwar ohne Zwischenfälle!

Auch der Transfer in Nairobi gestaltete sich anders als erwartet. Über den Crew Eingang schleppten wir unsere Taschen in den Abflugbereich. Drei Stunden später konnten wir auch unser Gepäck am Gate aufgeben. Als ich in der Abreisehalle sass und den vorbeigehenden Leuten nachschaute, kam wieder Wehmut auf. Es gibt kein treffenderes Zitat für meinen Gefühlszustand wie jenes von Ernest Hemingway: "Alles, was ich mir wünschte, war nach Afrika zurück zu kommen. Wir hatten es noch nicht einmal verlassen - und doch war ich, wenn ich nachts wach lag und lauschte, schon heimwehkrank." 

Unser Abendessen vom Camp war nicht mehr geniessbar. So mussten wir einmal mehr mit völlig vertrockneten Crackern vom Flughafen Vorlieb nehmen. Schon früh abends kämpfte ich mit der Müdigkeit, kein Wunder bei dieser stundenlangen Warterei. Nach 5.5 Stunden, die Uhr stand mittlerweile kurz vor Mitternacht, kam endlich der Aufruf zum Boarding. Mit letzter Kraft schleppte ich mich ins Flugzeug und schlief innert Minuten ein.

Auch wenn uns Zürich mit Sonnenschein begrüsste, so hielt sich unsere Begeisterung in Grenzen. Wir können es kaum erwarten, ins nächste Abenteuer zu starten. Zwar müssen wir uns noch eine ganze Weile gedulden, aber die Reise steht schon. Wohin sie führt, verraten wir noch nicht. Nur soviel: Eine weitere Traumreise geht in Erfüllung. Vorerst aber beginnt eine neue Reise - die Reise durch die Welt der farbigen Erinnerungen. Sie wird ein Leben lang dauern.

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Wo es die Wüste auf die Spitze treibt

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Die perfekte Safari?