Wo es die Wüste auf die Spitze treibt

Mein Interesse an Namibia wurde durch Bilder geweckt, speziell von Sossusvlei. Der "da will ich auch mal hin" Effekt stellte sich ein und ich begann mich näher mit diesem Land zu beschäftigen. Neben den faszinierenden Wüsten hat Namibia auch an Fauna einiges zu bieten. So ist gewissermassen von Allem etwas dabei, auch wenn der Fokus unserer Reise auf Landschaft gelegt war. Unsere Freunde waren ebenfalls von der Vielseitigkeit dieses Landes (und der Reiseroute) angetan und so schlossen sie sich uns wiederum an.

Aufgrund intensiver Recherche im Internet und in Zeitschriften hatte ich die Reiseroute schon viele Monate im Voraus im Kopf. Ich achtete dabei besonders auf vernünftige Tagesetappen und entschied mich daher, die erste Nacht von Windhoek nach Okonjima zu verlegen. Zwar würden wir die Aktivität am ersten Nachmittag verpassen, aber dafür verteilte sich die lange Strecke in den Etosha auf mehrere Tage. Swakopmund sowie den Ausflug nach Sandwich Harbour nahm ich infolge persönlicher Empfehlung noch hinzu.

Trotz monatelanger Vorausbuchung war die Sossus Dune Lodge an unserem Wunschdatum bereits ausgebucht. Mit viel Glück gelang es mir über verschiedene Buchungskanäle zwei Zimmer für zwei Nächte zu ergattern. Für die mittlere der drei Nächte mussten wir allerdings auf eine Alternative ausweichen. Bis zum Schluss hoffte ich, dass provisorische Reservationen wieder frei gegeben würden. Denn der grosse Vorteil dieser Lodge ist ihre einzigartige Lage innerhalb des Nationalparks. Das bedeutet, dass die Gäste schon vor Sonnenaufgang nach Sossusvlei aufbrechen und abends später zurückkehren können. Deswegen ist die Unterkunft auch so populär. Bei unserer Abreise war die Lage noch immer unverändert. Doch Wunder geschehen und Afrika wäre nicht Afrika, wenn es keine Überraschungen gäbe. Aber alles der Reihe nach...  

Mittwoch, 29. April 2015: Zürich – Johannesburg 

Die lange Zeit des Wartens und der Vorfreude hatte nun endlich ein Ende, heute starteten wir unsere Reise nach Namibia. Und wer weiss, vielleicht offenbart sich uns ja eine neue Liebe.

Nach einem letzten Arbeitstag brachte uns meine Stiefmutter zum Flughafen, wo wir mit unseren Freunden verabredet waren. Nach der Gepäckaufgabe und einer kleinen Shopping Tour im Duty Free Store schlenderten wir gemütlich zum Gate ins Dock E. Schwer bepackt bestiegen wir das Flugzeug und atmeten sogleich erleichtert auf. Es ist noch einmal gut gegangen mit unserer 15kg schweren Fotoausrüstung als Handgepäck. Dank der Frühbuchung konnte ich uns vier Notausgang-Plätze sichern. Die Beinfreiheit auf dem langen Flug war Luxus, nur die schmalen Sitze fand ich sehr beengend. Wie immer schlief ich kurz nach dem Start ein, allerdings wachte ich mehrmals auf, wenn mir das grelle Licht der Ruhekabine für die Crew direkt ins Gesicht zündete.

Donnerstag, 30. April 2015: Johannesburg - Windhoek – Okonjima

In Johannesburg betraten wir vertrauten Boden. Während wir Frauen in den Souvenirläden herum stöberten, bewachten die Männer das Handgepäck. Die kurze Aufenthaltszeit ging wie immer schnell vorbei. Der Weiterflug mit British Airways verlief angenehm. Kurz nach Mittag landeten wir nach insgesamt 15 Stunden Reisezeit und 1 Stunde Zeitverschiebung in Windhoek. Rasch erledigten wir die Einreiseformalitäten. Eine Vertreterin von Wilderness Safaris wartete bereits auf uns und half uns bei der Übernahme des Mietwagens. Die zierliche Dame hatte eine tiefe Stimme und war ziemlich schroff im Umgang mit den Angestellten von Budget. Sie hetzte und kommandierte die Herren herum, aber es war stets zu unseren Gunsten, weshalb es uns noch so recht war. Unser weisse Toyota Hilux (in Namibia sind fast alle Autos weiss) gehörte definitiv nicht zu den neusten Modellen. Die mühsame Verriegelung der Heckklappe und die Huperei beim Öffnen und Schliessen der Zentralverriegelung kosteten uns auf der Reise noch viel Nerven. Doch das Auto funktionierte und es hatte zwei voluminöse Tanks, worüber wir ganz froh waren. 

Das Kapitel Windhoek brachten wir schnell hinter uns. So machten wir nur einen kurzen Stopp bei einem Supermarkt, um anschliessend weiter ins Landesinnere vorzudringen. Wir passierten wunderschöne Gras- und Baumlandschaften und fuhren vorbei an Termitenhügeln, die wie Türme von bis zu 5 Meter Höhe überall in der Landschaft standen. Unser Weg führte über Okahandia ins Okonjima Nature Reserve. Unser Ziel war das Plains Camp vor Dunkelheit zu erreichen, doch das schafften wir nicht. Die letzten 30 Minuten auf der B1 bei totaler Finsternis waren sehr anstrengend zu fahren und ich war froh, als wir endlich in die Schotterstrasse Richtung Camp einbiegen konnten. Die Fahrt war da zwar nicht minder anstrengend mit Schlaglöchern und Tieren auf der Fahrbahn, doch um ein Vielfaches aufregender. Gegen 18:30 Uhr erreichten wir unsere Unterkunft. Die Lodge ist Heim der "Africat Stiftung", einer Non-Profit Organisation, die sich dem Schutz afrikanischer Grosskatzen verschrieben hat. So ist das private Reservat heute vor allem das Land der Leoparden und Geparden. Nach einem kurzen Briefing über die zur Auswahl stehenden Aktivitäten setzten wir uns gleich an den Tisch für ein leckeres Abendessen. Danach inspizierten wir unsere Zimmer. Wir bekamen ein Upgrade in die Kategorie „View Room“. Diese Zimmer waren sehr geräumig und geschmackvoll eingerichtet und hatten, wie der Name schon sagt, ein grosses Fenster mit Sicht auf die Okonjima Ebene. Wir bereiteten noch Fotoausrüstung und Kleidung für den kommenden Tag vor, bevor wir uns müde ins grosse Bett plumpsen liessen.

Freitag, 1. Mai 2015: Okonjima

Nach einer kleinen Stärkung im Haupthaus ging es hinaus in die Wildnis. Es war empfindlich kalt an diesem Morgen, so dass wir einmal mehr in Afrika zu den Decken im Jeep griffen. An vielen Stellen wuchsen sandfarbene Termitenhügel aus der Pfanne. Eine Kudu Familie zog durch das im Wind hin und her wogende, silbern schimmernde Gras. Auch Schakale, Dikdik und Paviane waren schon auf den Beinen. Wir machten uns auf die Suche nach Wildhunden, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass unser Guide planlos war, wo wir danach suchen sollten. Ich nahm es locker und war einfach nur glücklich, wieder Afrika zu spüren, zu hören und vor allem zu riechen. Auf der Fahrt schlug das Radar immer wieder mal aus, ohne dass wir irgendwas entdecken konnten. Doch schliesslich, in der hintersten Ecke des Parks, standen die Wildhunde plötzlich vor uns. Die zwei Damen sahen dünn aus, doch offenbar waren sie wohlauf und nur etwas ins Alter gekommen. Bald zogen sie sich ins Gestrüpp zurück und wir machten uns langsam auf den Rückweg. Nach kurzer Fahrt durch das weite, doch sehr dicht bewachsene Gebiet schlug das Radar wieder aus. Ein Leopard befand sich wohl unweit von uns. Immer schneller und lauter wurden die Takte des „Piepsens“. Schliesslich erblickten wir die Raubkatze, doch sie war zwischen den Sträuchern kaum sichtbar und schlich sich lautlos und elegant davon. Ein Graben verhinderte unsere „Verfolgungsjagd“, so dass wir einen grossen Bogen fuhren und uns von der anderen Seite nochmals näherten. Voller Hoffnung blickten wir in die Richtung, in die der Leopard verschwand. Der Funk gab immer noch Alarm. Plötzlich rief Kriszta „da vorne ist er, ca. 300m von hier“ und zeigte auf 12 Uhr. Das Funksignal kam jedoch aus einer anderen Richtung. Unser Guide schmunzelte und ich tat es zugegebenermassen auch. Doch Kriszta blieb bei ihrer Behauptung. Und schliesslich bestätigte auch unser Tracker ein Raubtiersignal auf 12 Uhr, allerdings jenes der Geparde. Nun ja, Hauptsache Katzen, wählerisch waren wir nun wirklich nicht ;-) Wir folgten der neuen Spur und fanden tatsächlich das Trio namens „Coco“, „Spud“ und „Bones“. Der Abstand zu den Tieren war nach unserem Geschmack immer noch zu gross, worauf wir scheu nachfragten, ob wir denn nicht näher heran gehen könnten. Der Guide zögerte einen Moment, griff nach seinem Stock hinter dem Sitz und sagte „okay, let’s go“. Bei mir machte es sofort „klick“, denn ich wusste aufgrund meiner Reise Recherchen, dass Geparde in Okonjima auch zu Fuss aufgespürt werden. Marcus brauchte einen Moment länger bis er verstand, worauf der Guide hinaus wollte, kletterte dann aber zufrieden aus dem Fahrzeug hinaus. In Einerreihe näherten wir uns dem Geschwister Trio leise bis auf knapp 5 Meter. Friedlich dösend und schnurrend wie zahme Hauskatzen lagen sie vor uns. Am liebsten hätte ich ihnen den Bauch gekrault. Es war ein unglaublich schönes Erlebnis, diesen Katzen ohne Schutz des Fahrzeuges so nahe sein zu können. Die Tiere in Okonjima sind zwar teilweise Menschen gewöhnt, dennoch leben sie wild im Reservat und sind bei der Futtersuche auf sich alleine gestellt. Unsere Kameras liefen auf Hochtouren. Nach einiger Zeit liessen wir die Geparde hinter uns, dankbar dafür, dass sie diesen für uns doch sehr intensiven Moment friedvoll zuliessen. An dieser Stelle geht auch noch mein persönlicher Dank an Kriszta, denn ohne sie wäre diese Begegnung gar nicht erst möglich gewesen.

Nun war es Zeit für ein ausgiebiges Frühstück. Zurück im Camp wurden wir mit Omeletten, Toastscheiben und frischen Früchten verwöhnt. Im Anschluss zogen wir uns für eine Siesta auf unser schönes Zimmer zurück. Das Geräusch von Regentropfen auf dem Dach über unserem Bungalow begrüsste mich, als ich nach einem Mittagsschlaf wieder aufwachte. Es hörte sich an wie ein „Landregen“, langsam aber stetig und ich hoffte natürlich, dass er aufhören würde bevor es Zeit war, die speziell für uns organisierte Fototour zu beginnen.

Mein Wunsch ging leider nicht in Erfüllung. Als wir beim ersten Beobachtungsposten ankamen, goss es wie aus Kübeln. Zwar waren wir im Beobachtungsstand einigermassen im Trockenen, doch die Lichtverhältnisse waren miserabel und auch der Leopard, er ist in Katzenkreisen ein alter Herr, fand keinen Gefallen am Regen. Geschwind holte er sich die beiden Leckerbissen auf den abgestorbenen Baumstrunks und zog sich dann leider für unseren Geschmack viel zu schnell zurück unter einen trockenen Baum. Ganz kurz blinzelte einmal die Sonne durch die Wolkendecke und liess das Fell des Leoparden im warmen Licht erstrahlen. Es war als würde man uns den Speck durch den Mund ziehen, denn im nächsten Moment war es gleich wieder vorbei mit dem Licht. So gingen wir weiter zum nächsten Highlight, wo bereits eine Horde Gäste warteten. Gepardenfütterung. Die vier Katzen sahen eigenartig aus in ihrem nassen Pelz, so dass ich nicht besonders in der Stimmung war, sie abzulichten. Schade, bei Sonnenschein hätte es sicher auch hier tolle Fotos gegeben. Zum Abschluss folgte dann das Sahnehäubchen. Wir gehörten nämlich zu den ersten Gästen, die die jungen Wildhunde besuchen durften. Die drei namens Yogi, Messi, Robin waren dermassen aufgeregt über unseren Besuch, dass sie uns kaum Eintritt gewährten. Während Guide und Tracker sie beim Ausbrechen hinderten, rollte ich den Jeep langsam ins 3ha grosse Gehege hinein. Nachdem wir alle wieder unseren gewohnten Sitz im Jeep eingenommen hatten, ging das Vergnügen los. In beachtlichem Tempo fuhren wir entlang des Zaunes. Das „Fifa Team“ rannte uns hinterher und hatte uns im Nu eingeholt. Wie Pfeilbogen flitzten sie uns um die Ohren, während wir unser Glück mit der Fotografie versuchten. Wieder machten uns die schlechten Lichtverhältnisse einen Strich durch die Rechnung. Trotzdem gelangen uns ein paar gute Aufnahmen. Natürlich bekam das Geschwister Trio zum Schluss auch ihre Belohnung für den Sprint. Die Fahrt diente keinerlei unserer Belustigung auf Kosten der Tiere, sondern sie sollte die jungen Hunde fit halten für eine spätere Auswilderung im Reservat.     

Nach dieser aufregenden Tour ging es in der Dämmerung zurück ins Camp, wo uns ein warmes Abendessen und im Anschluss eine heisse Dusche erwartete.

Samstag, 2. Mai 2015: Okonjima – Etosha Nationalpark 

Fasziniert von der afrikanischen Wildnis zog es uns bei Sonnenaufgang wieder hinaus in den Busch. Auf der Fahrt schlug das Radar erneut aus. Es dauerte nicht lange, bis wir die Leopardin namens Elektra entdeckten. Lautlos und elegant schlich sie durch den Busch. Wir folgten ihr eine Weile, doch es gelang ihr immer wieder, uns im hohen Gras abzuhängen. Kaum noch gesehen, war sie im nächsten Moment wie von der Bildfläche verschluckt. Trotz minimalem Abstand schaffte sie es immer wieder, uns auszutricksen. Ich war erstaunt und fasziniert zugleich. Auf der weiteren Pirschfahrt gab der Funk immer mal wieder Alarm und es gelang uns, im dichtesten Gestrüpp einen Blick auf die scheue Leopardin Lila zu werfen. Sie hatte soeben ein Impala gerissen und trotzdem flüchtete sie vor unserem langsam nähernden Fahrzeug. Es war zwecklos an diesem Ort noch länger zu warten, also versuchten wir unser Glück woanders. Wieder piepste das GPS Gerät wie wild, doch auch hier war kein Durchkommen. Unser Guide versuchte sich noch in Landschaftsgärtnerei, doch alle Versuche dieser weiteren Leopardin näher zu kommen, scheiterten kläglich. 

Im Camp liessen wir uns das Frühstück nochmals schmecken bevor wir die weiteren 370 km in den Etosha Nationalpark unter die Räder nahmen. Unsere Unterkunft war das Onguma Bush Camp, welches angrenzend an den Etosha war. Wir wurden mit einem Willkommenstrunk und feuchten Tüchern begrüsst, die wir dankend annahmen. Für einmal liessen wir die Tiere links liegen und gingen es stattdessen an diesem Nachmittag gemütlich an. Unser Bungalow war geräumig und sauber, doch er befand sich etwas ausserhalb der Anlage neben dem Sumpf und so witzelten wir herum, dass wir im Zuhause von Shrek und Fiona angekommen waren... Bewaffnet mit unseren Kameras und einem Cola in der anderen Hand setzten wir uns auf die Veranda und beobachteten das Kommen und Gehen der Tiere am Wasserloch. Nachdem wir feststellten, dass alle Tiere neben unserem Bungalow vorbei kamen, fanden wir die Lage unseres Zimmers gar nicht mehr so tragisch. Kaum ging die Sonne unter, begannen die Grillen zu zirpen. Kurz darauf mischte sich das rhythmische Quaken der Frösche dazu. Fasziniert genoss ich das vielstimmige Konzert während wir am Tisch mit leckeren Köstlichkeiten verwöhnt wurden. Wir liessen den Abend gemütlich ausklingen und verschwanden dann auf unser Zimmer, glücklich, müde und irgendwie geborgen in den Armen einer fremden Natur.

Sonntag, 3. Mai 2015: Etosha Nationalpark

An diesem Morgen ging es zum ersten Mal in den Etosha. Dieser Park stand schon so lange auf meiner Wunschliste. Etosha klingt nach Wildnis und nach extremer Natur. Die Einheimischen fanden poetische Umschreibungen für dieses trockene Land, das heute als Nationalpark geschützt ist: „Ort der Trugbilder“, „Land des trockenen Wassers“ oder „Grosser weisser Platz“. Ich war gespannt und freute mich auf die bevorstehenden vier Tage. 

Kurz nach 6 Uhr standen wir am Gate von Namutoni und erledigten die Formalitäten. Dann fuhren wir von Wasserloch zu Wasserloch, wo mal mehr und mal weniger los war. In Chudob blieben wir hängen, denn eine Tüpfelhyäne spazierte zum Wasserloch. Und es kam noch besser. Es war absolut windstill und so zeichnete sich ihr perfektes Spiegelbild auf der Wasseroberfläche ab. Die Hyäne zog schliesslich davon, dafür wagten sich nun Giraffen, Zebras, Kudus und Oryx Antilopen zur Tränke. Immer wieder hoben die Tiere lauschend und witternd ihren Kopf und beäugten die Umgebung. Unaufmerksamkeit konnte sie das Leben kosten. Den grösseren Überblick bezahlte die Giraffe mit ziemlich aufwändiger Sauftechnik. Sie bückten sich gleichermassen grazil und umständlich zum Trinken. An diesem heiss begehrten Wasserloch herrschte ein ständiges Kommen und Gehen.

Wir waren so beschäftigt mit Fotografieren, dass wir das ins Rampenlicht tretende Spitzmaulnashorn erst beim Wasserloch entdeckten. Es löste grenzenloses Staunen und grosse Begeisterung aus. Das neben den Giraffen so klein wirkende Pummelchen reihte sich am Ufer auf und löschte seinen Durst. Dann kam es langsam auf uns zu, ich hatte Herzklopfen. Erleichtert atmete ich auf, als das nun massig wirkende Tier friedlich an uns vorbeizog. Auf dem Parkplatz präsentierte sich der Bulle von allen Seiten wie ein Model bei einer Modeschau. Am Wegesrand schien es einen besonders interessanten Geruch gehabt zu haben. Er schnüffelte intensiv, hob dann seinen Kopf hoch und flehmte. Nach einigen gelungenen Porträtaufnahmen hatte er genug und verschwand lautlos im Gebüsch.   

Auch wir zogen weiter Richtung Halali und passierten das Herzstück des Nationalparks, die etwa 5000 qkm grosse weisse Etosha Pan. Zebra- und Springbockherden kreuzten unseren Weg. Besonders imposant war ein grosser und vom Salz weisser Elefantenbulle. Mit grossen Schritten und erhobenem Rüssel näherte er sich. Als ob er etwas gegen unsere Anwesenheit hatte, schwenkte er im letzten Augenblick noch um und kam nun direkt auf uns zu. Die Machtdemonstration war ihm gelungen, mein Herz raste. Es war nicht auszudenken, was dieser Dickhäuter bei aufkommender Aggression mit unserem Auto so alles anstellen konnte. Sofort legte ich den Rückwärtsgang ein und machte respektvoll Platz. Der Bulle querte genau an jener Stelle die Strasse, an der wir noch vor ein paar Sekunden gestanden hatten.

Die restliche Fahrt verlief ruhig und ohne weitere Höhepunkte. So steuerten wir erstmals Halali an und checkten ein. Halali ist eines von drei Rastlager im Etosha Nationalpark und bietet neben dem relativ neuen Dolomite Camp die einzige Möglichkeit, innerhalb des Parks zu übernachten. Unser Zimmer war sehr klein und nicht besonders sauber, aber für eine Nacht war es okay. Am Nachmittag fuhren wir nochmals hinaus und fanden bei Naumses drei Junglöwen am Wasser liegen. Südafrikaner waren so freundlich und parkten ihr Auto etwas näher beim Hügel, so dass wir unser Fahrzeug ebenfalls einreihen konnten. Nun hatten wir einen guten Blick auf die Löwen. Völlig schockiert beobachteten wir, wie ein junger Mann aus dem Auto neben uns ausstieg, sich einige Meter vom Auto entfernte und sich schliesslich mit dem Rücken gegen die Löwen für einen Schnappschuss hinstellte. Wie kann man nur so bescheuert sein? Die Löwen änderten sofort ihren Blick, doch glücklicherweise machten sie keine weiteren Anstalten. 

Wir steuerten an diesem Nachmittag noch weitere Wasserstellen an, doch es gab nichts mehr zu sehen. Wir waren für unsere Verhältnisse ungewöhnlich früh zurück im Camp. Nach dem Abendessen, das alles andere als prickelnd war, statteten wir dem Beobachtungsstand mit Blick auf ein beleuchtetes Wasserloch noch einen kurzen Besuch ab, ehe wir müde ins Bett fielen.

Montag, 4. Mai 2015: Etosha Nationalpark

Mit den ersten Sonnenstrahlen waren wir wieder auf der Piste. Wir klapperten diesmal die Wasserstellen Salvadora, Sueda und Charitshaub ab – erfolglos. Auf dem Rückweg trafen wir auf einen Löwen. Schnell knipsten wir ein paar Bilder, bevor er sich ins hohe Gras plumpsen liess und damit von der Bildfläche verschwand. Endlich hatten wir das Glück auf unserer Seite. Eine grosse Elefantenherde marschierte zielstrebig auf die obere Wasserstelle bei Goas zu und schon begann ein Geplansche wie im Kinderbecken des städtischen Freibads. Wir beobachteten, wie sie sich zufrieden gurgelnd und schnaubend eine Rüsselladung Wasser nach der anderen in den Rachen kippten. Es war ein wahrer Genuss, dieser Herde zuzusehen. Plötzlich war alles vorbei. Abmarsch wie auf ein geheimes Kommando. In Reih und Glied zogen sie davon, langsam, diszipliniert und schweigend, wie sie gekommen waren. Die Elefanten nahmen den direkten Weg querfeldein, während ich ohne nur eine Sekunde zu zögern den Motor startete und sie auf der geschwungenen und mit Schlaglöcher übersäten Strasse überholte, um sie weiter unten nochmals abfangen respektive von vorne fotografieren zu können. Am Ende der Kurve brachte ich unseren Wagen zum Stehen, liess jedoch sicherheitshalber den Motor laufen. Ich erwartete die Elefanten vor unserem Auto, doch einige tauchten plötzlich hinter uns auf. Wir waren umzingelt. Ich konnte das Klopfen meines Herzens hören, das immer dann lauter wurde, wenn sich einer der grauen Riesen unserem Fahrzeug näherte. Ein junger Bulle blieb auf der Fahrspur vor uns stehen, quietschte und trompetete laut. Ich wusste nicht, ob dieser Protest uns oder seinem Kollegen galt, der ihn soeben aus seiner Spur schubste. Nach angespanntem Warten und intensiver Diskussion, wohin wir ausweichen könnten, wenn er seine Wanderung in unsere Richtung fortsetzten würde, verschwand er plötzlich im Gebüsch. Zu unserer Erleichterung duldeten uns auch die anderen grauen Riesen in ihrer Mitte. Noch immer aufgeregt von dieser Begegnung fuhren wir wieder hoch zum Wasserloch, um dort einmal tief durchzuatmen und die Nervosität wieder abzulegen. Zufrieden machten wir ein paar Fotos von Zebras und Impalas, als ich im Rückspiegel eine Bewegung wahrnahm. Eine weitere Elefantenherde war im Anmarsch. Es ist immer wieder erstaunlich, wie leise sich diese Riesen bewegten. Besonders süss waren natürlich die Elefantenbabies, die tollpatschig hinter ihren Müttern her trotteten. Elefantentanten flankierten den Nachwuchs bei der Trinkpause am Wasserloch. Die Dickhäuter planschten im Wasser, schwangen ihre Rüssel, schnaubten und tranken. Es war herrlich. Die Zeit mit den Elefanten verging wie im Flug. Herzklopfen kam zwar nochmals auf, als die Herde ganz knapp an unserem Geländewagen vorbei schlenderte. Doch schon im nächsten Augenblick waren sie verschwunden, als wären sie nie da gewesen. 

Unser Weg führte an diesem Tag von Halali nach Okaukuejo, dem Camp, wo wir noch weitere zwei Nächte verbrachten. Auf dem Weg dahin passierte nichts Aussergewöhnliches. Wir kamen an einigen ausgetrockneten oder fast leeren Wasserlöchern vorbei, an denen sich auch keine Tiere aufhielten. Dank Hinweis von anderen Touristen entdeckten wir mit viel Geduld eine Löwin mit ihren Jungen im Gebüsch direkt neben der Strasse. Lange trotzten wir der Hitze, die sich wie eine elektrische Heizdecke über Namibia gelegt hatte. Doch irgendwann wurde die Hitze unerträglich. Wir gaben auf. Löwen bekamen wir dann doch noch zu Gesicht. Ein Kätzchen lag nämlich am Strassenrand, als wir Richtung Camp fuhren. Es dauerte nicht lange bis sich eine lange Blechkolonne bildete. Der Löwin wurde es verständlicherweise zu hektisch. Sie zog sich ins Gras zurück. Im Schatten gleich unterhalb der Strasse ruhte eine zweite Löwin, doch der steile Winkel liess kein vernünftiges Foto zu. Nun wurde auch uns das Gedränge zu mühsam. Wir setzten unsere Fahrt fort und checkten bei Okaukuejo ein. Auch hier waren die Zimmer klein, aber immerhin sauber. Zu bemängeln war das Moskitonetz, das zu kurz geraten war und so natürlich überhaupt nichts nutzte. Glücklicherweise hatten wir unsere eigenen Kopfkissen dabei, so dass ich jene vom Camp auf den Boden um unser Bett herum legen konnte und das Moskitonetz dadurch nicht mehr in der Luft schwebte. 

Am späteren Nachmittag fuhren wir noch einmal zu Gemsbokvlakte, wo wir in wunderschönem Licht Aufnahmen von Zebras und Giraffen machen konnten.

Nach dem Abendessen setzten wir uns gemütlich ans beleuchtete Wasserloch, das fast vor unserer Haustüre lag und mit einem Zaun sowie einer Steinmauer gesichert war. Rings um die Wasserstelle ausserhalb des Camps kam Bewegung auf. Umständlich spreizten die Giraffen ihre Vorderbeine bis sie mit ihren langen Hälsen die Wasseroberfläche erreichten. Ein Nashorn mit Jungtier tauchte aus dem Schwarz der Nacht auf. Ein weiterer einsamer Bulle kam dazu. Die beiden ausgewachsenen Rhinozerosse standen sich vis-à-vis und fauchten und quietschten sich laut an. Die Auseinandersetzung verlief jedoch friedlich. Auch Springböcke versammelten sich. Jedes Geräusch liess die zierlichen Antilopen aufschrecken, doch schliesslich wagten sie sich vor zum Trinken. Die vereinte Tierwelt Afrikas war durstig. An dieser Wasserstelle war definitiv mehr los als an jedem anderen Wasserloch im Park. Gespannt lauschten wir in die Stille über der Savanne hinein bis uns schliesslich die Müdigkeit übermannte.

Dienstag, 5. Mai 2015: Etosha Nationalpark

Am frühen Morgen fuhren wir nach Olifantsbad, über Aus nach Odongab. Die Strecke war eine Tortur und abgesehen von ein paar vereinzelten Impalas war nichts zu sehen. Den ganzen Tag über steuerten wir ein Wasserloch nach dem anderen an, wo wir mal Zebras, eine Straussenfamilie und Springböcke sahen. Die Ausbeute war jedoch sehr dürftig, weshalb wir uns entschieden, für eine Siesta zurück ins Camp zu fahren. Auf dem Retourweg sahen wir noch drei Löwen unter einem kleinen Busch im Gras liegen, doch sie waren für unseren Geschmack zu weit weg. Am Nachmittag änderten wir unsere Taktik. Wir fuhren trotz Strapaze nochmals nach Olifantsbad und warteten auf dem Parkplatz auf die Tiere. Und tatsächlich kamen Elefanten, viele Impalas, Kudus und Warzenschweine an die künstlich angelegte Wasserstelle. Unten im „Tal“ bei Gemsbokvlakte entfernte sich eine grosse Elefantenherde von der Wasserstelle. Wir folgten ihnen noch ein Stückchen, doch die Strasse war eine Sackgasse und so mussten wir die friedlichen Dickhäuter ziehen lassen. Die Sonne verabschiedete sich gegen 18.15 Uhr mit einem spektakulären Sonnenuntergang. Jetzt mussten wir aber schnellstens zurück ins Camp – die Parkwächter schlossen nämlich die Pforten pünktlich. Als hätten wir überhaupt keinen Stress gehabt, holperten wir, gerade noch rechtzeitig, ruhig und gelassen durch das offene Tor hindurch. 

Nach dem Abendessen setzten wir uns wieder ans beleuchtete Wasserloch. Gemütlich auf einer Bank sitzend, ein Bier in der einen und die Fotokamera in der anderen Hand, liessen sich nachtaktive Tiere ganz bequem vom Camp aus beobachten. Wobei die Fotografie ziemlich verzwickt war. Einerseits mussten wir nämlich die Kamera stillhalten, was wir mit einem Bohnensack auf der Mauer und Fernauslöser noch hinkriegten. Für ein scharfes Bild durften sich die Tiere allerdings auch nicht bewegen, was bei der langen Verschlusszeit fast ein Ding der Unmöglichkeit war. 

Im dämmrigen Licht der Scheinwerfer stand ein Nashorn bei der Tränke. Etwas später kam ein Elefantenbulle dazu, der von der Anwesenheit des Nashorns nicht angetan war. Selbstbewusst wurde das Nashorn vertrieben. Der Bulle füllte nun ruhig seine Wasserreserven, während das Nashorn das Nachsehen hatte. Als der Unruhestifter wieder im Busch verschwand, trauten sich weitere Rhinozerosse an die Wasserstelle heran, bis schlussendlich sieben Tiere gleichzeitig versammelt waren. Spät nachts erwachten dann die Löwen. Aus vier verschiedenen Richtungen ertönte Löwengebrüll - besser als jedes Surround System! Es war ein kurzweiliger „Fernsehabend“. 

Mittwoch, 6. Mai 2015: Etosha Nationalpark - Spitzkoppe

Ein letztes Mal versuchten wir im Etosha unser Glück. Doch selbst auf einem kleinen Umweg über Olifantsbad zum Anderson Gate bekamen wir nicht mehr viel Nennenswertes zu Gesicht. So fiel der Abschied vom Park nicht ganz so schwer. Wir nahmen südlichen Kurs, zogen vorbei an sonnenverglühten, dornigen Landschaften und passierten staubige Ortschaften, die Namen tragen wie Okahandja, Okakarara, Otavi oder Otjiwarongo (kann es sein, dass die Namibier eine latente Affinität zum „O“ pflegen?). Unterwegs stockten wir in einem Supermarkt unsere Vorräte auf. Weiter ging’s über karge, staubige, menschenleere Pisten Richtung Südwesten. Wo immer wir hinsahen, wir waren von unendlich freiem Raum umgeben. Von rötlichem Sand und von harten, goldgelben Wüstengräsern. 

Am frühen Nachmittag erreichen wir unser Tagesziel: Die Spitzkoppe. Hotel? Fehlanzeige! Komfort? No way! Luxus? Ausgeschlossen. Die einfachen Hütten an der Spitzkoppe lagen einsam im Schatten der mächtigen Formation. Dem Besucher werden skurrile Felsformationen und eine pyramidenförmige Bergkuppe geboten. Der schroffe, 1728 Meter hohe Gipfel der Grossen Spitzkoppe wird seiner Form wegen das “Matterhorn Namibias“genannt. Der Vergleich zum Matterhorn hinkt etwas, aber die Kuppe ist eine weithin sichtbare Landmarke. Wir erkundeten dieses Gebiet, entdeckten eine spektakuläre Felsbrücke und genossen einen wunderschönen Sonnenuntergang. 

Nach einem einfachen Abendessen mit Toastbrot, Avocado und Chips fuhren wir unter dem sternenklaren Himmel nochmals zu den Felsformationen. Bei totaler Dunkelheit montierten wir die Kamera auf unser Stativ und begannen mit unseren Star Trails Fotos. Doch schon nach kurzer Zeit war Übung Abbruch. Es war Vollmond ;-( Die Konturen der Landschaft wurden wieder sichtbar und jegliches Bild vom Sternenhimmel und der Milchstrasse wurde unmöglich. Schade. Auf ein Andermal!

Donnerstag, 7. Mai 2015: Spitzkoppe - Swakopmund

Wir hatten wegen Moskitos und anderen Krabbeltieren miserabel geschlafen und waren richtiggehend froh, als um 05:15 Uhr endlich mein Handywecker klingelte. Trotz totaler Dunkelheit zog es uns wieder hinaus. Beim Rock Arch kletterten wir erneut auf die Felsen und fotografierten die Spitzkoppe aus allen Ecken und Winkeln. Den Sonnenaufgang sahen wir von diesem Platz zwar nicht, aber das sanfte Licht auf den Bergspitzen war auch ganz schön. Die Sonne wärmte bereits, aber sie brannte noch nicht als Höllenfeuer wie zur Mittagszeit, wenn man auf dem Gestein gegart wird. Die Zeit verging schnell und das grelle Licht liess die Berge bald blass erscheinen. 

Nach dieser Fotosession rollten wir gut gelaunt hinab an den Atlantik nach Swakopmund. Die Wüste versickert dort geradeswegs ins tobende Meer, regnen tut’s so gut wie nie, dafür bläst das ganze Jahr über von Südwesten heran ein kühler Wind. Kein guter Ort zum Leben, möchte man meinen. Trotzdem haben deutsche Kolonisten hier 1893 ein erstaunliches Städtchen errichtet. Deutschsprachige Schilder, wo man hinschaut: „Kaiser-Wilhelm-Strasse“, „Bismarckstrasse“, „Hotel Deutsches Haus“, „Ankerplatz“ …, irgendwie scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein.

Gegen Mittag erreichten wir unser Hotel The Stiltz. Als wir die Autotür öffneten, strömte uns eine kalte Meeresbrise entgegen. Welch Temperaturschock! The Stiltz ist ein auf Stelzen gebautes Hotel mit Sicht auf’s Meer. Die Zimmer waren schön und geräumig, doch kalt war es drinnen. So mussten wir, wir konnten es selber kaum glauben, zum ersten Mal in Afrika die Heizung anwerfen. Ich fühlte mich an diesem Nachmittag nicht gut und legte mich deshalb vor unserem geplanten Rundflug noch hin. Um 14:00 Uhr wurden wir im Hotel von einem Fahrer von Scenic Air abgeholt und zum Flughafen gebracht. Mich plagte schon vor dem Flug Übelkeit – das waren keine guten Voraussetzungen, wenn man obendrein noch Mühe mit Turbulenzen hat… Unser Pilot machte keinen besonders motivierten Eindruck. Nach wiederholter Angabe unseres Gewichts (wir wurden schon im Hotel danach gefragt), führte er uns zu einer kleinen 4-Plätzer Cessna. Als letzte von uns vieren quetschte ich mich in die kleine Maschine hinein. Ein paar Kilos mehr auf den Hüften und ich wäre nicht mehr rein gekommen. Kaum war dies geschafft, stellte sich schon die nächste Frage. Wo zum Geier sollte ich denn meine Beine parkieren, wenn zwischen meinem Sitz und dem vorderen knapp 30cm Platz war? Letzten Endes hockte ich 2¼ Stunden lang zusammengekauert da wie in einer Sardinenbüchse. Die grandiose Landschaft unter uns liess mich dieses Übel jedoch schnell vergessen. Kurz nach dem Start änderte sich das Bild unter uns. Die Hausdächer wichen bald der Wüste. Die roten Dünen jenseits des Kuiseb Rivers zogen sich wie rote Adern durch die Landschaft. Kurios, wie präzise sich der Sand an diesem Fluss trennt: Nördlich davon ist er gelb, südlich davon rot. Wir flogen weiter. Weiche Sandwellen wechselten sich nun ab mit Kräuselmustern, die sich im Horizont verloren. Wir sahen Solitaire, querten den Tsondab Vlei und bogen über dem Tsauchab nach Westen in das Sossusvlei ab. Die grossen roten Sanddünen, teilweise unterbrochen durch weisse Täler (sogenannte Vleis), waren grandios. Sand und Wind hätten mehrfache Designerpreise verdient. Die scheinbar endlosen Dünen aus der Vogelperspektive zu betrachten war sehr beeindruckend. Je näher wir der Küste kamen, desto heller wurden die Dünen. Schliesslich drehte der Pilot nach Nordwesten ab. Wir entdeckten Robbenkolonien, die am Strand unter uns in der Sonne brutzelten. Auch die Landschaft des Sandwich Harbour überflogen wir, die entgegen meiner Erwartungen völlig unspektakulär unter uns lag. Hoffentlich wirkt diese Bucht vom Boden aus spektakulärer, schoss es mir durch den Kopf, denn sonst wird unser Ausflug am nächsten Tag eine riesen Pleite. Über Walvis Bay leuchteten Wasserflächen in grossen Becken in Grün und Rot, Blau, Türkis und Rosa. Bis zu 700'000 Tonnen Salz werden dort jedes Jahr gewonnen. Bis Swakopmund war es nun nur noch einen Katzensprung. Der Pilot setzte die Maschine sicher auf dem Boden auf, wo wir wieder die frische Meeresbrise auf der Haut spürten und eine willkommene Abkühlung zur Hitze und der abgestandenen Luft im Flugzeug bot. 

Meine Magenbeschwerden waren leider immer noch nicht besser. Ich war am Abend zu nichts mehr im Stande und fiel müde ins Bett.

Freitag, 8. Mai 2015: Swakopmund

Endlich mal Ausschlafen. Nach einem herrlichen Frühstück machten wir uns um 08:45 Uhr frisch gestärkt auf zu einer langen Tour. Wir wurden von Bruno Nebe, dem Inhaber von Turnstone Tours und Gründer der Sandwich Harbour Ausflüge, im Hotel abgeholt. Ich hatte ihn zwar bei der Buchung als Guide gewünscht, doch eine Garantie konnte er nicht geben. Der Zufall wollte es, dass Bruno für eine Woche in Swakopmund verweilte und so unsere Tour annehmen konnte. Bruno ist Namibier, bei dem man schon nach wenigen Minuten spürte, dass er sein Land mit jeder Faser seines Daseins liebt, kennt und auch über ökologische und politische Zusammenhänge sehr gut Bescheid weiss. 

Bevor wir allerdings Kurs auf Sandwich Harbour nehmen konnten, mussten wir das kleine Fahrzeug gegen ein grösseres eintauschen, damit wir neben unseren doch sehr umfassenden Fotoausrüstungen  auch noch selber Platz zum Sitzen hatten. Dann konnte es losgehen. Den ersten Fotostopp legten wir in Walvis Bay ein, einer rund 30 Kilometer südlich von Swakopmund gelegener Stadt. Nicht das Örtchen erregte unsere Aufmerksamkeit, sondern Tausende Flamingos, die in der Lagune nach Nahrung suchten. Ich war Feuer und Flamme und konnte es kaum erwarten. Langsam näherten wir uns den Vögeln, die sich ganz nahe an den Gehsteig heranwagten. Wir setzten uns auf den Boden und genossen das rosa Meer und das laute Geschnatter. Diese Vögel hatten es mir angetan. Ich konnte mich nicht satt sehen und genoss jeden einzelnen Moment. Schweren Herzens und 950 Fotos später liessen wir die Flamingos zurück und machten uns auf zu unserem eigentlichen Ziel.  

Jenseits des Städtchen Walvis Bay erstreckte sich zunächst eine eintönige Schotterwüste. Wir bogen links von der Strasse ab, der Untergrund wechselte nun von Asphalt auf Sand. Diese Piste hätten wir mit unserem Toyota Hilux auch noch geschafft, meinten wir lässig. Es ging weiter durch wogendes, meterhohes Schilf, welches rechts und links entlang der schmalen Fahrbahn empor wuchs. Kaum hatten wir den grünen Streifen hinter uns gelassen und die erste Kurve gekratzt, war uns klar, dass es für unseren hundsgewöhnlichen Hilux trotz 4x4 kein Durchkommen mehr gegeben hätte. In der Ferne erblickten wir die bunten Wasserbecken der Salzfabrik. Wir fuhren dem Meer entlang, wo zum Fahren nur ein schmaler Streifen zwischen Dünen und tosendem Atlantik blieb. Am Nachmittag schlucken die Gezeiten selbst dieses schmale Stück. Hier küsste die Wüste förmlich das Meer und zwei Elemente stiessen in ihrer grausamsten Form aufeinander: das tückische Wasser des Südatlantiks, vom Bengualastrom auf antarktische Temperaturen heruntergekühlt, und die Lebensfeindlichkeit der Namib Wüste, die jede menschliche Existenz zunichte macht. Bruno erzählte uns, dass die Strecke nach Sandwich Harbour insofern berühmt sei, als dass sich Fahrzeuge leicht festfahren und dann, wenn sie nicht rechtzeitig vor Einsetzen der Flut wieder freigeschaufelt werden, ganz vom Meer verschluckt werden. Eine Vorstellung, die auch bei den Autovermietungen nicht gut ankam, weshalb sie allesamt ein Verbot verhängt hatten. Versucht es jemand trotzdem und die Autovermietung kriegt Wind davon, ist der Neupreis des Autos fällig – ein ziemlich teurer Spass. Da ist die Fahrt mit einem der wenigen lokalen Anbieter doch viel gemütlicher und spannender obendrein. 

Gegen Mittag erreichten wir unser Ziel. Besonders die sich an die Lagune anschliessende Dünenlandschaft gibt dem Gebiet einen eigenen Reiz. Bewaffnet mit unseren Kameras verliessen wir das Fahrzeug und stapften Bruno durch den weichen Sand hinterher. Über einen grossen Bogen ging es hinauf auf die Düne. Es war ein hartes Stück Arbeit und grenzte an echte Kunst, die Kamera vor dem Sand zu schützen (ehrlich gesagt versagten wir kläglich). Oben angekommen, boten sich herrliche Blicke über die Bucht und das Sandmeer.

Zurück in der Lagune stellte Bruno Klapptisch und –stühle auf und servierte uns ein Mittagessen. Bei leckerer Lasagne, griechischem Salat und selbst gebackenem Roggenbrot sowie später Kaffee und Apfelkuchen unterhielten wir uns. Über die Entwicklung von Namibia, sein zweites Business (Mundulea Nature Reserve) undüber seine Söhne, zwei erfolgreiche Hockeyspieler in den USA. Es war sehr gemütlich, doch die Zeit rannte und wir mussten bereits wieder aufbrechen. Die Rückfahrt führte eine Zeit lang am Strand entlang, dann peilte Bruno die Dünen an. Er gab Vollgas und plötzlich kippte unser Jeep vornüber und jagte den steilen Abhang hinunter. Die Abfahrt war begleitet mit einem leisen Aufschrei, vor allem seitens uns weiblichen Fahrzeuginsassen. Schlimmer als jede Achterbahnfahrt, dachte ich. Ehe ich mich umsah, ging es geradewegs die nächste Dünenflanke hinauf, wir fuhren gen Himmel... Kurz vor der Kante nahm Bruno das Gas raus. Der Wagen kippte nach vorne, diesmal war die Entfernung nach unten allerdings erheblich grösser als das erste Mal. Zunächst ging es gemächlich runter, dann fuhr er mit Vollgas auf die nächste Düne zu, um nicht einzusinken. In wilden Kurven ging es weiter durch mehr als 100 Meter hohe Dünen. Zu meinem Glück rollten wir fortan nur noch langsam die steilen Dünen hinunter. Ob das auch andersrum geht, fragte ich Bruno. „Nein“ kam es wie aus einer Pistole geschossen, „es ist eine Einbahnstrasse“. Diese adrenalingesättigte (Ab)Fahrt war definitiv ein Erlebnis, das ich so schnell nicht wieder vergessen werde.

Zurück im Hotel bedankten wir uns für den gemütlichen Tag und verabschiedeten uns von Bruno. Wir schafften es gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang zur Jetty, um die einmalig schöne Stimmung und das leuchtende Abendrot für immer auf Bild festzuhalten. Nach einem kurzen Stopp im Einkaufszentrum gingen wir zurück ins Hotel. Mein Magen hatte sich noch nicht erholt, so dass ich erneut ohne Abendessen erschöpft ins warme Bett fiel.  

Samstag, 9. Mai 2015: Swakopmund - Sossusvlei

Endlich war ich wieder einigermassen auf dem Damm und fühlte mich etwas besser. Das Frühstücksbuffet im Stiltz war einmalig. Leckere Pfannkuchen in verschiedenen Variationen, Kuchen, frische Früchte, Brot und vieles mehr standen zur Auswahl. Wir assen uns am üppigen Buffet satt und nahmen anschliessend um 08:00 Uhr den Weg nach Sossusvlei unter die Räder. Kalt, windig und nass lag die Küste hinter uns. Noch meinten wir, die feuchte Gischt des Ozeans auf den Gesichtern spüren zu können, da schmeckten unsere Zungen bereits trockenen Staub. Hinter der Stadtgrenze war das Grün schlagartig aus der Landschaft verschwunden und einem nicht enden wollenden Beige und Braun gewichen. Lebensfeindliche Wüste und karge Steppe, übersät mit Steinen, bedeckten weite Teile des Landes.

In Solitaire, das keine Ortschaft ist, sondern eher eine Wildwest-Tankstelle mit Souvenirladen, Campingplatz und Café stoppten wir kurz und vertraten uns die Beine. Über staubige Pisten bewegten wir uns danach weiter durch eine karge Namib Wüste Richtung Süden und erreichten schliesslich das Sandland von Sossusvlei. Ein tiefschwarzer Mann mit kräftiger Postur und grimmigem Gesicht gab uns beim Gate ein Handzeichen zum Anhalten. Er war die Unfreundlichkeit in Person, doch in staatlichen Parks können sie sich das scheinbar nach wie vor leisten. Nachdem er unsere Namen und das Kennzeichen auf einem Wisch eingetragen hatte, liess er uns passieren. Ein paar Meter weiter an der Rezeption hiess es wieder anmelden und Parkgebühren für uns und die 4 resp. 8 Räder entrichten. Allerdings gab es erneut ein riesen Durcheinander, weil wir die mittlere Nacht in der Sossus Dune Lodge noch immer nicht bestätigt hatten. Ich konnte die Dame jedoch überzeugen, dass wir die Gebühren gleich für alle drei Tage entrichten konnten. Denn egal in welcher Unterkunft wir schlussendlich übernachteten, in den Park würden wir so oder so fahren. Nun trennten uns nur noch wenige Kilometer von der Lodge. Endlich waren wir am Ziel. Der Parkplatz lag allerdings 500 Meter unterhalb des Hauptgebäudes, so dass die Gäste für die letzten Meter in ein schepperndes Fahrzeug der Lodge umsteigen mussten. Das Konzept war überhaupt nicht durchdacht und ich ärgerte mich an den darauffolgenden Tagen jedesmal erneut, wenn ich mit samt Gepäck mühsam ins Fahrzeug klettern musste. Im Hauptgebäude angekommen, konnten wir die gleiche Geschichte wie schon am Gate und an der Rezeption von Sesriem nochmals erzählen. Die Dame meinte zwar unser Anliegen verstanden zu haben, aber ich musste nochmals drei weitere Anläufe nehmen, bis auch ihr der Groschen fiel. Hoffnung hatte ich keine, aber Versuchen wollte ich es trotzdem. Am PC klickte die Dame dann wild herum und meinte nach einer Weile, dass sie eine provisorische Reservation für den Folgetag löschen und uns die Bungalows geben könnte, sofern wir gleich bezahlen würden. Gesagt getan. Um die Rückerstattung der back-up Lösung würde ich mich dann Zuhause kümmern. Erst jetzt konnte ich meine Aufmerksamkeit der Lodge widmen, die inmitten der spektakulären Dünenlandschaft Namibias liegt. Sie ist im Stil eines afrikanischen Dorfes erbaut und fügt sich mit ihren Holz- und Stroh-Materialien perfekt in die natürliche Umgebung ein.

Nach dieser positiven Nachricht machten wir uns voller Vorfreude auf den Weg Richtung Sossusvlei. Endlich wurde sichtbar, was von weitem nur zu erahnen war. Die unglaubliche Höhe, die scharfen, vom Winde verwehten Kämme, die Gipfel... Wie glänzender, faltiger, weicher Samt umhüllten gelbrote Dünen den ausgetrockneten Grund. Sie erhoben sich aus dem kargen Boden 300 Meter hoch und mehr. Bei Düne 45 – der Name der Düne weist bereits darauf hin, dass sie 45 km vom Eingang des Naturschutzparks entfernt liegt - bogen wir auf den Parkplatz ab. Jetzt hiess es alle Kräfte mobilisieren für den Aufstieg. Feinkörniger Sand entwich unter unseren Schuhen. Anfangs gingen wir noch mit Elan und Begeisterung. Doch schon bald wurden die Schritte mühseliger und nach der ersten leichten Steigung bereute ich es bereits. Es war harte Arbeit. Im Trippelschritt kämpfte ich mich hinauf. Ein Schritt hoch, mindestens ein halber Schritt zurück. Ich hatte mittlerweile Sand in den Schuhen (die ich irgendwann auszog), auf der Kleidung, an den Händen und in den Ohren – und das Vorankommen erschien wie ein auf-der-Stelle-treten. Der Weg wurde zur Qual und das Fotogepäck zerrte tonnenschwer an meinen Schultern. Ich schaffe das, aufgeben war keine Option! Ich kämpfte, fluchte und schnaufte und dann…war ich oben!!! Schweissbäche rannen mir von der Stirn in die Augen, dabei war es für hiesige Verhältnisse noch mild, etwa 30° Celsius. Nur bieten Wüsten keinen Schatten. Doch niemand konnte mir diese Aussicht nehmen. Der Himmel breitete seine Blauschattierungen aus – bis sie im Horizont fast ins Weiss übergingen. Der elegante Schwung des Kamms, der Kontrast aus Licht und Schatten, das Farbenspiel in der Abenddämmerung – all das machen die Sanddünen des Sossusvlei so besonders. Die unendliche Weite war einmalig schön und entschädigte für den doch sehr anstrengenden Aufstieg. 

Erst als die Sonne schon am Horizont verschwunden war, dachten wir an den Rückmarsch. Und das Beste kommt bekanntlich zum Schluss: Wir sprangen in die Tiefe, seitwärts die Düne hinunter. Ich rannte immer schneller und fühlte mich frei. Was für ein tolles Gefühl der Leichtigkeit – Wahnsinn! Und erstaunlich, wie schnell man doch knapp 200 Höhenmeter in einer Abwärtsbewegung überwinden kann. Es war schon ziemlich dunkel, als wir wieder beim Parkplatz standen. Etwas nervös über die bereits fortgeschrittene Zeit setzte ich mich wieder ans Steuer und fuhr zurück. 

Beim Abendessen in der Lodge bekamen wir einmal mehr die ineffizienten Prozesse der Afrikaner zu spüren. Die Küche war meilenweit vom Essbereich entfernt, so dass das Essen schon kalt war, bevor es auf dem Tisch war. Der frappante Unterschied bezüglich Personals von privaten und staatlichen Unterkünften wurde einem in diesem Camp wieder so richtig deutlich vor Augen geführt. So überraschte es nicht, dass sie uns das Essen in Rechnung stellen wollten, obwohl dieses im Zimmerpreis inkludiert war. Na ja, versuchen kann man es ja ;-) Über den Holzsteg liefen wir zurück zu unserem Zimmer Nr. 23 ganz am Ende des Stegs. Es war ein gefühlter 10 Minuten Fussmarsch. Nach einer wohltuenden Dusche und einer umfassenden Kamerareinigung fielen wir erschöpft ins Bett.

Sonntag, 10. Mai 2015: Sossusvlei

Wir waren an diesem Morgen zu angeschlagen, als dass wir in der Früh hätten etwas unternehmen können. Und so beschlossen wir, den Tag ruhig anzugehen und hofften, dass unsere Leiden bald ein Ende haben mögen. Statt der ursprünglich geplanten Morgentour, welcher wir immer noch ein bisschen hinterher trauerten, fuhren wir um 8 Uhr los. Da sich selbst die Parkverwaltung nicht an die Geschwindigkeitslimite hielt, fuhren auch wir mit „leicht“ erhöhtem Tempo bis zum Ende der Teerstrasse. Hier hiess es entweder auf den Shuttle umsatteln oder auf eigene Faust durch die fünf Kilometer lange Tiefsandstrecke bis zum Parkplatz vom Deadvlei zu fahren. Wir entschieden uns für ersteres, um einen Eindruck der Piste zu kriegen. Sie war schon so ausgefahren, dass stellenweise 10 Spuren nebeneinander im Tiefsand verliefen. Doch es war bei weitem nicht so wild, wie einige Touristen erzählten und so entschlossen wir uns, diesen Weg fortan selber zu fahren. Im Sossusvlei angekommen, waren wir rundherum von roten Sanddünen umgeben, die bis zu 400 Meter hoch sind und zu den höchsten Dünen der Welt zählen. Wir waren beeindruckt von dieser atemberaubenden Sandwelt und wanderten vom Parkplatz aus tiefer in die Dünenwelt hinein. Wer den Weg schon einmal gegangen ist, weiss auch, wie anstrengend er sein kann, besonders wenn die Sonne schon fast ihre volle Kraft entwickelt hat und gnadenlos vom Himmel brennt. Nach 1.1 Kilometer erreichten wir die grösste Attraktion im Sossusvlei: das „Tote Tal“, das „Deadvlei“: Eine von Dünen umschlossene Tonpfanne, in der jahrhundertealte Kameldornbäume von einer Zeit zeugen, als der Tsauchab Fluss das Tal noch regelmässig flutete, bevor er seine Richtung änderte und die Bäume abstarben. Die alten, vertrockneten Bäume sind schwarz von der sengenden Sonne und verrotten aufgrund der Trockenheit nicht. Sie ragen aus einer weissen Fläche auf und standen im schönen Kontrast mit den hohen roten Sanddünen, die dieses Schauspiel gekonnt einrahmten. Trotz bereits hohem Sonnenstand gelangen uns ein paar tolle Fotos mit Sonnenstern und langen Schatten.  

Um 11 Uhr brannte die afrikanische Sonne unbarmherzig vom wolkenlosen Himmel und der wenige Schatten der dürren Bäume bot kaum Schutz. Wir traten den Rückzug an. Auf der Rückfahrt mit dem Shuttle stoppte der Fahrer an drei verschiedenen Stellen und zeigte in die Bäume hinauf, wo Blassuhus den Tag verbrachten. Dann ging es die 60 Kilometer wieder zurück zur Lodge, wo ich Marcus absetzte bevor ich weiter an die Tankstelle fuhr, um den Druck in den Reifen auf 1.8 bar zu reduzieren. Zurück in der Unterkunft berichteten uns unsere Freunde von einem Gespräch zwischen neu angekommenen Gästen und dem Camp Manager. Anscheinend fehlte ein Zimmer... Uppps! Wir wissen bis heute nicht, ob es sich um eine Fehlbuchung (quasi im Voraus) handelte oder ob der Zimmermangel nun infolge unserer kurzfristigen Buchung entstand. Da sie das Gespräch nicht bis zum Schluss verfolgt hatten, wissen wir auch nicht, ob noch eine kreative (afrikanische) Lösung für das Problem gefunden werden konnte.

Wir machten uns jedenfalls nach einer kurzen Siesta um 15:00 Uhr wieder auf den Weg. Beim 2 x 4 Parkplatz stoppte ich den Geländewagen kurz, stellte auf Allradantrieb um und fuhr mit einem etwas erhöhten Pulsschlag weiter auf der Piste aus tiefem Sand. Unser Toyota Hilux kämpfte sich durch die kniehohen Sandrinnen und hoppelte heftig über Bodenwellen. Im Kofferraum unseres Pick-ups bekam das Reserverad Flügel und landete mit einem lautstarkem „blump“ unsanft wieder auf der Ladefläche. Als Laie war es nicht immer einfach die Idealspur zu finden, von denen es hier Dutzende gab. Dennoch meisterten wir die Strecke problemlos und staunten Bauklötze, als wir kein einziges Fahrzeug auf dem Parkplatz stehen sahen. Wieder stapften wir durch den Sand und strebten der Lehmsenke entgegen. Am Ende präsentierte sich vor uns einmal mehr das Deadvlei, diesmal jedoch einsam und verlassen. Wir trotzten der Hitze, bis die Schatten länger wurden und das magische Abendlicht die Konturen der Dünen zum Vorschein brachte. Eine fast schon beängstigende Ruhe lag über der Landschaft. Ich fühlte mich klein und verletzlich, und dennoch genoss ich jeden Moment. Das Deadvlei ist ein unglaublicher Ort, der mich persönlich auf der gesamten Reise am meisten berührt hatte. Wir waren so begeistert von den abgestorbenen Bäumen in der hellen Lehmsenke und dem Kontrast zu dem Rot der Sanddünen und dem Blau des Himmels, dass wir gar nicht bemerkten, wie schnell die Stunden vergingen. Erst als das Licht immer schwächer wurde, rissen wir uns los und kehrten zum Auto zurück. Obwohl der Weg grösstenteils geradeaus ging, reichte mir die Anstrengung auch so, denn erst das schnelle Gehen und dann noch der Sand schlauchten mich ganz schön. Ich war froh, als ich endlich schnaufend und schwitzend wieder beim Auto stand. Just mit dem letzten Licht nahmen wir die Tiefsandpiste wieder unter die Räder. Für die restlichen 60km reichte das Licht allerdings nicht mehr. Es war stockdunkel. Immer wieder kamen die Tiere sehr nahe an die Strasse heran. Plötzlich tauchte ein Hase halb versteinert vor mir auf. Mein Scheinwerfer war mehr nach links als nach vorne ausgerichtet, so dass ich das arme Tier erst relativ spät sah. Trotz einigen Zuckungen blieb der Hase glücklicherweise an Ort und Stelle sitzen. Kurz darauf ein weiterer Schock. Ein kleiner Schakal rannte vor unser Auto. Ich ging voll in die Eisen und sah nur noch einen Schatten unter dem Auto verschwinden. Mir fiel das Herz in die Hose. Hatte ich ihn erwischt? Unsere Freunde hinter uns gaben jedoch Entwarnung. Der Kleine war unter dem Auto hindurch auf die andere Seite gerannt und heil wieder herausgekommen. Was für ein Glück! Erleichtert atmete ich auf.

Nach dem Abendessen gingen wir zeitig zurück zum Bungalow. Über uns funkelte ein Lichtermeer aus Sternen, der Gute-Nacht-Gruss des unendlichen Himmels über Afrika.

Montag, 11. Mai 2015: Sossusvlei

Der heutige Tag stand ganz im Zeichen der Namib-Sanddünen. Der Wecker schmiss uns zu einer fast schon unmenschlichen Zeit um 04:15 Uhr aus dem Bett. Wer macht eigentlich so etwas freiwillig in seinem Urlaub? Wir sind schon etwas bescheuert, schoss es mir zu dieser frühen Stunde durch den Kopf. Verschlafen kletterten wir aus dem Bett. Obwohl es mitten in der Nacht war, herrschte schon eine rege Geschäftigkeit, denn die meisten wollten so früh wie möglich zu den Dünen. Wir ergatterten schnell noch eine Tasse Tee im Haupthaus und  los ging die Fahrt in die Finsternis. Es war stockdunkel draussen. Wir konnten weder die Dünen noch den Himmel erkennen. Die Fahrt schien schier endlos. Als wir eine Weile unterwegs waren, setzte langsam die Dämmerung ein. Endlich konnten wir schemenhaft etwas sehen. Unser Jeep rollte mit zügigen 100 Kilometer pro Stunde über die Teerstrasse, bevor es dann etwas wilder wurde auf dem letzten Stück. Wir zogen eine lange Staubfahne hinter uns her. Doch wer bremst verliert und bleibt stecken. Die Fahrt verlief auch diesmal problemlos – fast schon zählten wir uns zu den 4x4 Profis :-) Auf dem Parkplatz bepackten wir uns mit der Fotoausrüstung und liefen zu den Dünen. Es gab trotz der frühen Stunde genauso viele Spuren wie immer, wenn nicht noch mehr, aber alle Wege führten ja bekannter Weise ans Ziel. Während dem ¼-stündigen Fussmarsch rutschte bei jedem Tritt leicht die Verse in den feinen Sand weg. Langsam aber sicher wich auch die Müdigkeit der Vorfreude auf den bevorstehenden Sonnenaufgang. Wir erreichten das Deadvlei um 06:15 Uhr. Glücklicherweise bewegten sich die anderen Frühaufsteher auf einem schmalen Grat hinauf auf „Big Daddy“ in eine andere magische Welt, so dass wir das Tote Tal für uns alleine hatten. 

Schatten lag noch über dem Deadvlei und so machten wir uns an die Arbeit, die schönsten Fotos zu erhaschen. Unzählige Fotomotive boten sich einem in dieser Lehmsenke. Die ganze Landschaft wirkte zu dieser Uhrzeit so surreal mit den roten Dünen, der weissen Erde und der schwarzen Baumskelette. Aber man muss erst in das Vlei hineinlaufen, um die ganze Atmosphäre zu spüren. Ich genoss die absolute Stille und Einsamkeit. Mittendrin liess ich diese bizarre Landschaft auf mich wirken und war trotz meines dritten Besuchs in dieser Pfanne erneut überwältigt. Während die Kameldornbäume vor dem Sonnenaufgang im Deadvlei noch düster und gespenstisch wirkten, änderte sich die Stimmung mit dem Aufstieg der Sonne drastisch: Die uralten, abgestorbenen und von der Sonne gebleichten Kameldornbäume bildeten faszinierende Kontraste mit den rötlichen Sanddünen, dem tonartigen Boden und dem tiefblauem Himmel. Man kann in diesem weltweit einzigartigen Tal nur staunen und geniessen! Stundenlanges Fotografieren war die Folge. Wohin wir auch blickten, wir entdeckten immer wieder einen neuen spannenden Ausschnitt aus Weiss, Blau, Rot und Schwarz. 

5/4-Stunden später traf die erste Fotografengruppe ein. Der Leiter schreite laut herum, schmiss sich hektisch auf den weissen Lehmboden, als würde demnächst ein Baum davonlaufen, und gab seinen Kunden in Spanisch Anweisungen. Nun war es leider vorbei mit der Idylle. Um so dankbarer war ich, dass wir diesen unglaublichen Moment alleine zu viert erleben durften. Glücklicherweise hatten wir bis dahin die schönsten Bilder schon im Kasten und wir konnten noch ein wenig die Magie dieses Ortes auf uns wirken lassen. Auf dem Weg zurück zum Parkplatz kamen uns Horden von Touristen entgegen. Es war schon sehr heiss, aber die Massen bewegten sich konvoimässig auf die toten Bäume zu. Jetzt war es definitiv vorbei mit der beschaulichen Ruhe.

Zurück in der Lodge legte sich Marcus erschöpft hin, während ich mir ein Mittagessen im Hauptgebäude gönnte. Für den Nachmittag hatten wir uns ein gemütliches Programm ausgesucht. Wir nahmen uns Zeit für die Sanddünen entlang der Strasse. Majestätisch erstreckten sie sich nebeneinander – eine schöner als die andere. Es ist der permanente Südwestwind, der die Sanddünen in der Namib Wüste Hunderte Meter hoch auftürmt und ständig neue Muster in dieses gigantische, menschenleere Landschaftsgemälde zeichnet. Hier treibt es die Wüste wahrlich auf die Spitze und so war der Titel für unseren Reisebericht geboren. Wir konnten uns nicht sattsehen, besonders als das Schattenspiel auf den Dünen begann und die Kontraste mit jeder Minute intensiver wurden, bis der Horizont schliesslich die glühende Sonne verschluckte. Der Himmel färbte sich blau-violett und erreichte dann ein nächtliches Blauschwarz. Und unendlich kamen die Sterne. Wir konnten sie am Anfang tatsächlich zählen. Kurz vor 18:00 Uhr zeigte sich der erste. Minuten später ein zweiter. Bald schon waren es zwanzig. So endete der Tag, wie er begonnen hatte: Mit Vollgas ging es in der Dunkelheit zurück zur Lodge. Die Nacht brachte schliesslich erlösende Kühle, doch der trockene Geschmack von Staub und Sand im Mund begleitete uns weiter auf dem Weg durch Namibia.

Dienstag, 12. Mai 2015: Sossusvlei - Namibrand

Für diesen Morgen hatten wir nichts geplant und trotzdem lagen wir beide schon früh wach. Im Wissen ob der wunderbaren Landschaft vor unserer „Tür“ konnten wir nicht untätig „herumsitzen“. Es kribbelte unter meinen Fingern, ich musste raus. Wer weiss, ob und wenn ja wann es uns wieder in diese grandiose Landschaft verschlägt. Schnell schlüpften wir in unsere Kleider und gingen den langen Weg über den Holzsteg zum Hauptgebäude. Um diese wohl eher ungewöhnliche Uhrzeit - die Uhr zeigte 05:45 Uhr - stand kein Fahrer zur Verfügung. Schritt für Schritt stolperten wir über den steinigen Weg zu unserem Auto hinunter. Wer in aller Welt kommt auf eine solch bescheuerte Idee, den Parkplatz 500 Meter unterhalb der Unterkunft zu konzipieren, fauchte ich vor mich hin. Dieses Konzept ist total unverständlich, gibt es hier doch Platz zum Versauen. Wenn schon nicht durch das Motorengeräusch, dann waren jetzt die Gäste spätestens durch das Hupen (4 Mal!) unseres tollen Geländewagens wach. Die Müdigkeit sass mir noch in den Gliedern, als ich hinter’s Lenkrad kletterte. Wieder bretterten wir in der Dämmerung Richtung Sossusvlei. Weit kamen wir jedoch nicht. Wir mussten ständig anhalten und die fotogenen Dünen für immer auf Bild festhalten. Schon die ersten Sanddünen waren bis zu 200 Meter hoch und die Kämme vom ständigen Wind scharf geschnitten. Im Licht der aufgehenden Sonne leuchteten sie in den verschiedensten Rottönen und das Zusammenspiel von Licht und Schatten verlieh den Sandbergen perfekte Konturen. Das Sossusvlei entfaltete seine volle Pracht. Wir erlebten die Dünen in einem unglaublichen Farbspiel. Ihre Farbe wechselte von rostrot zu orange zu beige und goldgelb strahlten sie in der Sonne. Dazu präsentierten sich Oryx Antilopen und Springböcke vor den Dünen. Die Dünenlandschaft war einmal mehr wunderschön und ich konnte mich fast nicht mehr davon los reissen. Gerade noch rechtzeitig schafften wir es für das Frühstück zurück in die Lodge. Qualitativ meilenweit entfernt vom sehr dürftigen Frühstückspaket „to go“ genossen wir die frischen Omeletten und Früchte, Toastbrot und Kuchen vom Buffet. 

Die drei letzten Tage vergingen wir im Flug – jetzt mussten wir schon wieder weiter. Leider. Einziger Wehrmutstropfen: wir blieben in der Namib, denn unsere nächste Unterkunft war nur einen Katzensprung entfernt. Eine Stunde hinter Sossusvlei bogen wir in eine kleine sandige Privatstrasse ab, von wo aus es nochmal 20 Kilometer bis zur Rezeption waren. Welch grandiose Landschaft uns hier zu Füssen lag! Ich konnte mich nicht satt sehen und war mehrmals fast ab der Fahrspur gekommen vor lauter Staunen. Nicht nur Rot und Orange, sondern auch Braun, Ocker und Grün sind die Farben der Namib-Wüste. Bei der Rezeption tauschten wir unseren Toyota Hilux gegen ein offenes Geländefahrzeug ein, das unser Guide David steuerte. Nach einer weiteren ½-Stunde Fahrt erreichten wir unsere Unterkunft „in the middle of nowhere“. Namibia hat rund zwei Millionen Einwohner auf einer Fläche fast dreimal so gross wie Deutschland – in der Dune Lodge von Wolwedans wird einem das klar. Auf jeden Gast kommen 1000 Hektar Naturschutzgebiet. In den Chalets sprudelte der Luxus weder aus vergoldeten Wasserhähnen noch war er zu Edelmarmor erstarrt. Dafür brach sich der Blick erst an den fernen Bergen.  

Nach einem äusserst köstlichen Salat und Dessert starteten wir um 15:00 Uhr unsere erste Ausfahrt. Roter Sand, grüne Grasbüschel und eine unendliche Weite prägten diesen Landstrich. Noch immer war ich sprachlos ab dieser Landschaft. Das ist das Afrika aus meinen Träumen. Die Namib ist so überwältigend schön, dass man sie fast für eine Fototapete halten will. Vor allem zu Beginn unserer Tour kreuzten wir viele Antilopen. Und erstmals sahen wir Springböcke, die ihrem Namen alle Ehre machten: sie sprangen mit allen Vieren gleichzeitig ab und sanken den Kopf, so dass das längere weisse Fell auf ihrem Rücken zum Vorschein kam. Pronking wird dieses Verhalten genannt. Es war sehr unterhaltsam, aber an Fotos war nicht zu denken. Dafür waren sie zu weit weg. Später kämpfte sich unser Fahrzeug Meter für Meter durch den tiefen Sand eine Dünenflanke hinauf. Dahinter lag uns ein Feld mit Feenkreisen zu Füssen. Es handelte sich um vegetationslose, meist runde Flächen mit einem Durchmesser von 5-8 Metern, die von dicht stehendem Gras umrandet waren. Unser Guide erklärte uns, dass es unterschiedliche Thesen gäbe, wie diese Flächen entstehen, aber wirklich wissen würde es niemand. So ging es auf unserer Fahrt weiter durch die Namib, ohne gross auf Tiere zu stossen. Man könnte meinen, das sei langweilig. Das war es aber ganz und gar nicht. Es war vielmehr faszinierend, wie Gebirgsformationen immer wieder im Wechsel mit Überlagerungen von rotem Sand bis hin zu roten Sanddünen standen. Bäume und Gräser in den unterschiedlichsten Grüntönen standen dabei in starkem Kontrast zur sandigen Welt.  

Irgendwo im Nirgendwo gab es dann einen Sundowner. Samtig schlängelte sich Sand in allen Farben über die Bergkuppen. Die untergehende Sonne warf ein orangefarbenes Tuch über das Land. Die Farben Afrikas sind wahrhaftig etwas ganz Besonderes. Sie leuchten von Innen, schmeicheln dem Auge, lassen einem den Atem stocken. Die Seele kommt zur Ruhe und der Geist kriegt wieder Luft. Ja, man konnte sie förmlich spüren, die endlose Stille und Weite. Nach Sonnenuntergang senkte sich der Vorhang der Nacht im Nu über den Busch. Kein Zivilisationslicht trübte die Stimmung. Bei totaler Dunkelheit ging es zurück zur Unterkunft. Sogar die Scheinwerfer des Autos waren herunter gedämmt, damit Tier und Natur möglichst wenig beeinträchtigt wurden. 

In Wolwedans waren inzwischen überall Laternen angezündet, alles wirkte unheimlich gemütlich. Aufgrund des Lärmpegels im Esszelt liessen wir uns einen separaten Tisch auf einem anderen Holzdeck herrichten. Öllampen beleuchteten den Tisch und es war ausgesprochen gemütlich, einzig etwas kühl war es. Ein Koch, gekleidet wie in einem 5 Sternehaus, erklärte uns die Menüfolge. Die fünf Gänge, kunstvoll angerichtet, schmeichelten unserem Gaumen und so konnten wir den Tag gebührend ausklingen lassen. 

Mittwoch, 13. Mai 2015: Namibrand

Wieder klingelte der Wecker mitten in der Nacht. Den Schlaf noch aus den Augen reibend, kletterten wir in den Jeep, um pünktlich um 05:00 Uhr in die Dunkelheit aufzubrechen. Die Kälte der Nacht harrte noch in den Senken der Namib aus. Ich wünschte mich eigentlich lieber ins wärmende Bett zurück. Denn schon nach kurzer Zeit war ich trotz Decke von Kopf bis Fuss auf den Sitzen des schaukelnden Geländewagens durchgefroren. Ich kämpfte gegen den Schlaf – an diesem Morgen jedoch ziemlich erfolglos. Immer wieder übermannte mich die Müdigkeit, so dass ich nicht viel von der Fahrt mitbekam, doch weit hätte der Blick bei dieser Dunkelheit sowieso nicht gereicht. Langsam setzte die Dämmerung ein. David fuhr uns zu einem speziellen Platz für den Sonnenaufgang. Dann durchbrach er die Stille und sagte: „That’s the moment we have all been waiting for“. Mein Geist war jetzt hellwach. Einzigartig war der Moment, in dem der hohe Dünenhügel mit dem Auto erklommen war und den Blick in die leichte, sanft begrünte Senke freigab, von der aus sich der feine rote Sandboden wieder bis zur darauffolgenden Dünenreihe anhob. Die ganze Schönheit der Namib breitete sich vor uns aus: Glasklare Luft, die geschwungenen roten Dünen und das gelb-grüne Gras, das sich im Winde wog, und vereinzelte Bäume – ein Traum fürs Auge aber vor allem auch für Herz und Seele! Beim Erkunden der Gegend konnten wir Oryxspuren im Sand sehen. Er herrschte eine göttliche Ruhe und ich genoss die Stille und den Frieden dieses kleinen Paradieses.

Wir fotografierten ausgiebig bevor es wieder weiter ging durch die Wüste. Wir waren immer wieder überrascht über neue spannende Ausblicke. Die Ebenen schienen zum Greifen nahe, die Berge bildeten sich kristallklar gegen den blauen Himmel ab und je länger wir unterwegs waren, desto stärker entfaltete sich die Magie dieses Ortes. Beeindruckend war auch der Blick, über die durch die Reifenspuren in zwei Hälften geteilte Ebene bis zum Horizont. Endlose Freiheit für jeden der danach griff... David steuerte in der Nähe des Wolwedans Boulders Camp unseren Frühstücksplatz an. Es war eine Ansammlung von Steinen, die keinen treffenderen Namen als „Hard Rock Café“ hatte. Es war schon spät und ich hatte Kohldampf. Mit dem Lunchpaket setzte ich mich genüsslich auf einen Stein und liess mich von der Sonne aufwärmen. Die frische Morgenbrise war längst verflogen und die Sonne glühte bereits wieder gnadenlos über der Weite Namibias. 

Nach dieser Stärkung ging es weiter vorbei an einer Wasserstelle mit unzähligen Oryx Antilopen und Bergzebras, die uns eine willkommene Abwechslung boten. Wir waren mittlerweile schon 7 Stunden unterwegs und ich spürte meinen Rücken bei jeder Bodenwelle. Da alle Camps in 20 Minuten von der Rezeption erreichbar waren, dachte ich, wir wären relativ nahe bei unserer Lodge. Doch hinter jedem Dünenkamm breitete sich eine neue, ausgestorbene weite Ebene vor uns aus. Irgendwann wandelte sich die ganze Landschaft zu einem in pastellgrün eingepacktem Wattenmeer. Sanft wogen sich die grünen Gräser im Wind. Es sah traumhaft schön aus, doch mein Speicher war voll und mein Körper müde. So liess ich diese Landschaft tatenlos an mir vorbeiziehen. Und irgendwann, als ich es schon beinahe nicht mehr für möglich hielt, nahm ich dankbar die Konturen unserer Lodge wahr. 

Schon auf der ganzen Reise jagten wir einem Sternenbild hinterher, das wir bis dahin noch nicht zu unserer Zufriedenheit einfangen konnten. Die Namib war der perfekte Platz dafür. Ich liess deshalb die Nachmittagsfahrt ausfallen, damit ich dann am Abend wieder fit war. So fuhr Marcus mit unseren Freunden alleine aus, während ich die Nachmittagsstunden in unserem „Zelt“ verbrachte. Doch auch die rustikale und authentische Atmosphäre in der Lodge wurde durch die fantastische Aussicht und das sich immer ändernde Farbspiel zu einem Erlebnis der besonderen Art. Der Himmel verfärbte sich Orange, dann Rosa. Die Farben widerspiegelten Wärme und Geborgenheit. Im Dämmerlicht behielt die Landschaft ihre Konturen. Sie wurden fast noch schärfer, zweidimensional. Später am Abend funkelten Millionen Sterne. Sie waren zum Greifen nahe. Die unendlichen Weiten regten zum Träumen an und die Stille vermittelte innere Ruhe und tiefe Zufriedenheit. 

Aus für mich unerklärlichen Gründen verschob David an diesem Nachmittag die Sternentour auf den nächsten Abend. Das war keine gute Idee, wie sich im Nachhinein herausstellte.                                          

Donnerstag, 14. Mai 2015: Namibrand

An diesem Morgen schliefen wir aus. Wir genossen das schmackhafte Frühstück, transferierten Fotos auf den Laptop und die externe Harddisk und befreiten Kameras und Objektive von Sand und Schmutz. Und dazwischen liessen wir auch einfach mal ein bisschen die Seele baumeln. Die Zeit verging schnell und ehe wir uns umschauten, sassen wir schon wieder im Allradfahrzeug auf Sundownerfahrt. 

David hatte wieder ein ganz besonderes Fleckchen für uns ausgesucht. Hoch oben auf einer Düne, mit atemberaubendem Blick über eine weite Ebene der Namib, nahmen wir den letzten Sundowner zu uns. Weit, golden, hart und doch weich, romantisch, steinig und unfassbar schön lag die riesige Ebene vor uns. Zu unserer Linken schroffe, felsige Hügel, zur Rechten das orange-goldene Dünenmeer der Namib Wüste und direkt vor uns die Abendsonne Afrikas! Rosa mischte sich mit Orange und Gelb zu einem spektakulären Lichterspiel, während sich der Sonnenball langsam Richtung Horizont herabsenkte. Alles glühte: Sonne, Luft, Himmel, Dünen - und ich sag’s Euch: unsere Herzen taten es auch. So schön kann Wüste sein. So schön ist Namibia. So schön das Reisen.

Nach dem Abendessen verliess Marcus – eingemummt in warme Decken - mit David das Camp für die Sternen Fotografie. Wegen Kälte und Müdigkeit aber auch aufgrund der langen Autofahrt am kommenden Tag kniff ich und legte mich frühzeitig ins Bett. Ich wachte mehrmals auf und schaute auf die Uhr, doch noch war weit und breit keine Spur von Marcus. Erst um 01:30 Uhr hörte ich ein Motorengeräusch und sprang sofort auf. Die Nachtfotografie war offenbar spannend und aufschlussreich zugleich. Leider wählte Marcus den falschen Fokuspunkt, so dass die Sterne auf dem Bild leicht verschwommen sind. Eine zweite Chance hatten wir leider nicht mehr, denn am nächsten Tag ging es zurück nach Windhoek. Schade, aber einen Grund mehr, irgendwann einmal zurückzukehren.

Freitag, 15. Mai 2015: Namibrand - Windhoek

Erneut liessen wir es ruhig angehen an diesem Morgen. Wir genossen ein letztes Frühstück mit herrlicher Aussicht auf die Namib. Auf der Rückfahrt zur Rezeption sog ich die sagenhafte Landschaft und der Duft der Wüste ein letztes Mal in mir auf. Es war ein unglaublicher Aufenthalt, während dem ich mein Herz an die bezaubernde Landschaft der Namib, die Ursprünglichkeit, Freiheit und Einsamkeit verloren hatte. Beim Haupthaus verabschiedeten wir uns von David und sattelten wieder auf unsere Autos um. Endspurt bis Windhoek. Wir fuhren durch weites unbewohntes Land. Wohin man schaute, stundenlang wurde einem das gleiche Bild präsentiert - eine karge und steinige Vegetation. Die meisten Nebenstrassen waren breite, zweispurige Schotterstrassen, deren Zustand stark variierte. Von perfekt glatt bis zu grauenhaftem Wellblech, je nachdem wann die Pisten zum letzten Mal geschoben wurden. Ob man achtzig oder vierzig Kilometer in der Stunde schaffte, wusste man meist erst hinterher. Wir waren noch ein gutes Stück von jedem städtischen Gedanken entfernt. Die Landschaft wechselte ihr Gewand je weiter wir Richtung Windhoek fuhren. Wir sahen die Zäune der Farmen. Riesige Gelände mit grünem Gras, Bäumen und Sträuchern. Allmählich häufte sich der Schwerverkehr und mit ihm auch die Blechkolonnen dahinter. Wir erreichten Windhoek im grössten Feierabendverkehr. Doch das brachte mich nicht aus der Ruhe. Marcus lotste mich perfekt zum Hotel Heinitzburg, das hoch oben auf einem Hügel über der Stadt thronte und wie eine Oase mit sehr freundlichem Personal und speditivem Service schien. Nach dem Abendessen im Restaurant fielen wir müde ins Bett. Es war eine lange Rückreise, und dennoch konnten meine Gedanken nicht schritthalten. Viel zu schnell war der Urlaub vorbei, auf den ich monatelang hin fieberte. 

Samstag, 16. Mai 2015: Windhoek – Johannesburg - Zürich

Nach einer letzten Nacht in Windhoek hiess es nach zweieinhalb erlebnisreichen und sehr eindrucksvollen Wochen wieder Abschied nehmen. Erstmals liessen wir uns aber noch das leckere Frühstück im Hotel schmecken. Auf dem Weg zurück zum Flughafen zog die Gegend wie im Schnelldurchlauf an uns vorbei und die zahlreichen, wunderbaren Momente passierten noch einmal mein inneres Auge. Ich erinnerte mich zurück an unseren ersten Tag in diesem faszinierenden Land und ich wünschte, ich könnte die Reise von Neuem beginnen. Doch die Wirklichkeit holte mich schnell zurück. Am Flughafen retournierten wir die Autos und besorgten die Boarding Pässe. Kurze Zeit später schritten wir schweren Herzens über das Rollfeld. Ein letzter Blick auf Afrika‘s goldgelbe Ebenen und schon waren wir im Flugzeug und befanden uns auf dem Weg nach Johannesburg. Nach einem kurzen Aufenthalt in Südafrikas grösster Stadt hiess es definitiv Abschied nehmen von Afrika und nach weiteren 10 Stunden waren wir bereits wieder zurück in der Schweiz – wie die Zeit doch vergeht.

Namibia ist ein karges, raues Land und dennoch so einladend und leicht zu bereisen. Für einmal waren es weniger die Tiere, sondern die Wüsten, die mich zutiefst beeindruckten. Die Namib ist die älteste Wüste auf diesem Planeten und ich bin mir sicher: es ist die Schönste. So harsch und lebensfeindlich sie auch sein mag, so leicht zieht sie einem in ihren Bann. Nirgends ist der Himmel blauer und wenn die riesigen Sanddünen morgens und abends tiefrot leuchten und Schatten werfen, kommt man nicht mehr aus dem Staunen hinaus. Dennoch war Namibia anders als erwartet. Es war nicht Liebe auf den ersten Blick. Ich brauchte Zeit, um die Schönheit des Landes zu Erfassen und um die Stille in mir aufzusaugen. Aber das Land packte mich, es brennte sich in mein Herz und am Ende wollte ich es nicht mehr verlassen. Doch ich muss, um eines Tages wiederkehren zu können.

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Im Land der Leoparden mit Hochs & Tiefs

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Auf Kussdistanz mit einem wilden Gepard